Blutspende: Homosexuelle Männer müssen (noch) draußen bleiben

„Angesichts immer wiederkehrender Engpässe in der Versorgung mit Blutbestandteilen sollten potentielle Spender auch spenden können. Andererseits sollten alle diejenigen, die Risiken hatten, von der Spende ausgeschlossen werden“, sagte DAH-Geschäftsführerin Silke Klumb am 1. November gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Hintergrund ist die derzeit erfolgende Erarbeitung von Vorschlägen, wie Blutspendedienste gezielter mögliche Infektionsrisiken von Spendern erfassen können.

Bis zum Sommer 2010 hieß es in den Richtlinien zur Gewinnung von Blutbestandteilen, von der Blutspende seien Personen „mit einem erhöhten Übertragungsrisiko“ ausgeschlossen – „zum Beispiel homo- und bisexuelle Männer, Drogenabhängige, männliche und weibliche Prostituierte, Häftlinge“. Diese Formulierung hielten nicht nur schwule und bisexuelle Männer für diskriminierend. Inhaltlich wird ihr Ausschluss von der Blutspende damit begründet, dass sie statistisch ein ca. 100-mal höheres Risiko für eine HIV-Infektion haben als heterosexuelle Männer und dass auch modernste Bluttests in den ersten Tagen nach einer Ansteckung noch nicht „anschlagen“. Zur Gewährleistung höchstmöglicher Sicherheit gehört daher ein „freiwilliger Selbstausschluss“ von Blutspendern mit einem erhöhten Risiko für HIV oder eine andere Infektionskrankheit: Wer im Fragebogen vor der Blutabnahme ankreuzt, dass er in den letzten Monaten in den Tropen war oder Drogen injiziert, wird daher ebenso von der Spende ausgeschlossen wie (bislang noch) homo- und bisexuelle Männer.

„Das erhöhte Infektionsrisiko ist zwar statistisch gegeben, trifft aber nicht auf jeden Schwulen und Bisexuellen zu – und wenn, dann auch nicht in allen Lebensabschnitten“, wendet DAH-Medizinreferent Armin Schafberger ein. „Außerdem haben auch viele Heterosexuelle zumindest zeitweise höhere Infektionsrisiken. Die Schwierigkeit besteht aber darin, bei der Blutspende durch möglichst einfache Fragen das individuelle Risiko zu erheben. Und das bei über vier Millionen Blutspenden im Jahr und in einer Situation, die nicht geeignet ist für eine ausführliche Beratung zur Sexualität und für Rückfragen bei Unklarheiten.“

Im Juli 2010 hat die Bundesärztekammer nun die Richtlinie für Blutprodukte redaktionell geändert. Im Vordergrund steht jetzt der Ausschluss von „Personen, deren Sexualverhalten ein gegenüber der Allgemeinbevölkerung deutlich erhöhtes Übertragungsrisiko für durch Blut übertragbare schwere Infektionskrankheiten wie HBV, HCV [Hepatitis-B-Virus/Hepatitis-C-Virus, d. Red.] oder HIV bergen“.

„Hier wird jetzt deutlich gemacht, dass es nicht um die sexuelle Orientierung, sondern um das Sexualverhalten geht. Zwar werden immer noch Männer, die Sex mit Männern haben, genannt“, so Schafberger weiter, „wie auch ‚heterosexuelle Personen mit sexuellem Risikoverhalten, z. B. Geschlechtsverkehr mit häufig wechselnden Partnern‘. Dennoch lässt die redaktionelle Änderung Raum für eine Klärung, ob MSM unter bestimmten Bedingungen doch Blut spenden könnten.“

Diese Klärung muss noch erfolgen. Gegenwärtig erarbeitet eine Expertengruppe am Robert Koch-Institut (RKI) Konzepte und Vorschläge zur Spenderbefragung, die eine gezieltere Erfassung der individuellen Infektionsrisiken ermöglichen. Eine mögliche Lösung könnte zum Beispiel darin liegen, dass wie in Spanien oder Italien Männer von der Blutspende ausgeschlossen werden, die in den letzten vier bis sechs Monaten Sex mit Männern hatten. „Das liefe für die meisten MSM wohl immer noch auf einen Ausschluss hinaus“, so der DAH-Medizinreferent. „Aber immerhin hätte der Spenderfragebogen dann gezieltere Fragen für alle – egal ob homo- oder heterosexuell.“

(hs)

 

Weitere Informationen

Richtlinien der Bundesärztekammer zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten (Hämotherapie): http://www.bundesaerztekammer.de/page.asp?his=0.6.3288

Anhang

Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Daniel Bahr MdB vom 26. Oktober 2010 auf eine kleine Anfrage zum Ausschluss schwuler Männer und zum Datenschutz bei der freiwilligen Blutspende