Computermodell: Bei gut behandelter HIV-Infektion fast normale Lebenserwartung

Wer sich heute mit HIV infiziert, hat bei früher Diagnose und guter Behandlung eine annähernd normale Lebenserwartung, haben europäische Forscher mit einem Computermodell für schwule Männer berechnet.

In einem vorab online veröffentlichten Artikel in der Fachzeitschrift AIDS berichtet die Forschergruppe, ein 30-jähriger schwuler Mann, der sich heute in Großbritannien und vergleichbaren Ländern mit HIV infiziere, könne statistisch damit rechnen, 75 Jahre alt zu werden. Die durchschnittliche Lebenserwartung geben sie mit 82 Jahren an – HIV wirke sich damit ähnlich aus wie andere chronische Krankheiten, zum Beispiel Diabetes, oder wie lebenslanges Rauchen.

Voraussetzung dafür sei eine frühe Diagnose. Je später eine Infektion festgestellt wird, desto länger kann HIV das Immunsystem schädigen. In diesem Fall sinkt die Lebenserwartung laut Computermodell durchschnittlich um fast 11 Jahre.

„Die Studie zeigt: Wer sich heute mit HIV infiziert, hat gute Chancen auf eine fast normale Lebenserwartung bei guter Lebensqualität“, sagt Armin Schafberger, Medizinreferent der Deutschen AIDS-Hilfe. „In unseren Breiten ist HIV vor allem dann gefährlich, wenn die Infektion erst spät entdeckt und behandelt wird. Mit einem HIV-Test schafft man hier Klarheit und sichert sich bei frühzeitiger Diagnose die optimalen Behandlungsmöglichkeiten.“

Der Berechnung für 10.000 Fälle liegen folgende Annahmen zugrunde:
•    Der Virusstamm der Infizierten ist nicht gegen HIV-Medikamente resistent.
•    Es liegt keine Hepatitis-Infektion vor.
•    Die Wahrscheinlichkeit, dass es sich bei den Männern um lebenslange Raucher handelt, liegt bei 40 % (für lebenslanges Rauchen wurde ein 1,4-faches Sterblichkeitsrisiko angenommen, bei Nichtrauchern ein 0,7-faches).
•    Bei 57 Prozent der Männer ist die Infektion nach drei Jahren festgestellt, bei 78 Prozent nach fünf Jahren und bei 97 Prozent nach zehn Jahren. (Beim schlechteren Szenario mit einer um 11 Jahre verkürzten Lebenserwartung sind die Werte wie folgt: bei rund 22 Prozent ist die Infektion nach drei, bei 37 Prozent nach fünf und bei 74 Prozent nach zehn Jahren festgestellt).
•    Durchschnittlich vergehen 5,9 Jahre von der Infektion bis zum Behandlungsbeginn, die mittlere Helferzellzahl bei der Diagnose liegt bei 432 CD4-Zellen pro Mikroliter Blut (Median). Beim zweiten Szenario liegt dieser Wert bei 140 CD4-Zellen.
•    Die durchschnittliche Behandlungsdauer liegt bei 39 Jahren, rund 7 Jahre davon allerdings werden keine HIV-Medikamente genommen.
•    Die Adhärenz („Therapietreue“) liegt bei über 80 Prozent (über 96 Prozent der Behandlungszeit).

(hs)

Quelle

Zusammenfassung des Artikels in englischer Sprache

Link zum Artikel auf der Seite des National AIDS Treatment Advocacy Project (PDF-Datei in englischer Sprache)