„Die Zulassung der HIV-Heimtests in den USA ist ein Ausdruck der Verzweiflung“

In den USA ist ein HIV-Schnelltest für die Selbstanwendung zugelassen worden. Vermarktet werden soll der neue Test (Kosten: rund 60 Dollar) ab Oktober über Online-Apotheken und Händler wie Walmart.

Armin Schafberger, Referent für Medizin und Gesundheitspolitik bei der Deutschen AIDS-Hilfe e. V. (DAH), sieht den „HIV-Heimtest“ kritisch:

Eine kleine Probe mit Flüssigkeit vom Zahnfleisch reicht, und innerhalb von 20 bis 40 Minuten gibt’s die Selbstdiagnose – so das Produktversprechen. Doch eine solche „Selbstdiagnose“ ist problematisch: In einer Studie mit ca. 5.800 Teilnehmern versagte der Test im Schnitt bei sieben von 100 HIV-positiven Anwendern. Das heißt, sie bekamen fälschlicherweise ein HIV-negatives Ergebnis dargestellt, obwohl sie HIV-positiv sind. Grund dafür waren wahrscheinlich Anwendungsfehler: Obwohl der Test auch ‚Speicheltest‘ genannt wird, soll der Abstrich nämlich gar nicht mit allzu viel Speichel in Kontakt kommen, sondern mit der an Antikörpern reicheren Flüssigkeit auf dem Zahnfleisch.

Auf der anderen Seite gibt es auch falsch positive Tests: Man bekommt dann das Ergebnis „HIV-positiv“, obwohl man in Wirklichkeit nicht infiziert ist. Und das kommt gar nicht selten vor: Würden in Deutschland 10.000 Menschen diesen Heimtests durchführen, bekämen 20 Anwender ein falsch positives Ergebnis.

Die Experten der FDA sprachen sich dafür aus, diese Nachteile in Kauf zu nehmen, weil man bei breiter Anwendung mehr HIV-Diagnosen aufdecken würde. Das nützt aber dem Einzelnen, dessen Diagnose übersehen wird oder der eine falsche Diagnose bekommt, überhaupt nichts.

Die Zulassung des HIV-Heimtests zeigt die Hilflosigkeit, ja Verzweiflung in den USA angesichts der sich immer weiter ausbreitenden HIV-Epidemie. Millionen Menschen in den USA haben keinen Zugang zum Gesundheitssystem, zielgruppenorientierte HIV-Testangebote, die auf Beratung und Freiwilligkeit basieren, sind Mangelware. Stattdessen legt man die Verantwortung einfach in die Hände des Einzelnen, gibt ihm ein unzuverlässiges, teures Mittel in die Hand und „spart“ sich die professionelle Beratung. Das ist drittklassige Medizin.

Beratung aber ist entscheidend: Hier wird unter anderem geklärt, ob wirklich ein Risiko vorlag, wie sicher das Ergebnis ist und was das Ergebnis bedeutet. So kann die Beratung zugleich als Lernsituation genutzt werden – zum Beispiel, um das Wissen zum Thema Übertragungswege, Schutz und Aussagekraft des HIV-Tests aufzufrischen.

Ein negatives HIV-Testergebnis heißt nämlich nicht zwingend, dass keine HIV-Infektion vorliegt. Nach einer Ansteckung kann es bis zu drei Monate dauern, bis der Körper genug Antikörper gegen HIV gebildet hat, damit der Test eine Infektion nachweisen kann. Wenn ich also nach dem letzten Risikokontakt zu früh teste, kann ich fälschlicherweise ein negatives Ergebnis bekommen, obwohl ich in Wirklichkeit infiziert bin.

Umgekehrt heißt ein positives Testergebnis nicht automatisch, dass man HIV-infiziert ist: Sämtliche Suchtests, auch Schnelltests, sind sehr empfindlich und geben ab und an auch mal falschen Alarm. Deshalb muss nach jedem positiven Suchtest ein Bestätigungstest erfolgen – auch nach einem positiven Ergebnis bei einem Heimtest. Eine komplette Heimdiagnostik ist also gar nicht möglich.

Safer Sex und anderen sexuell übertragbaren Infektionen kann er nicht liefern.

Beratung zum HIV-Test bekommt man zum Beispiel bei Aidshilfen, Gesundheitsämtern und unter www.aidshilfe-beratung.de.

 

Quelle/weitere Informationen

Pressemeldung der amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA vom 03.07.2012 (in englischer Sprache)

Meldung auf zeit.de vom 04.07.2012

Meldung auf spiegel.de vom 04.07.2012

Beitrag auf ondamaris.de vom 07.07.2012

Meldung auf aidshilfe.de vom 21.05.2012 zur beantragten Test-Zulassung mit weiteren Hintergründen