Durchbruch in der Mikrobizid-Forschung?

Könnte ein Gel Frauen vor einer HIV-Ansteckung schützen? Ergebnisse einer südafrikanischen Studie, die auf der Welt-Aids-Konferenz in Wien vorgestellt wurde, begeistern die Kongressteilnehmer

Ein neuartiges Gel könnte vor allem Frauen helfen, sich künftig besser vor einer Ansteckung mit HIV zu schützen. In einer südafrikanischen Studie reduzierte ein Mikrobizid das HIV-Ansteckungsrisiko um rund 40 Prozent. Die Ergebnisse der Untersuchung wurden am 20. Juli auf der Welt-Aids-Konferenz in Wien vorgestellt und begeisterten die Kongressteilnehmer.

Der Hintergrund: Frauen haben bisher kaum die Möglichkeit, sich beim Sex selbstständig vor HIV zu schützen. Die Anwendung von Kondomen erfordert die Zustimmung durch den Mann. Gerade in den von der HIV-Epidemie am stärksten betroffenen Regionen können Frauen den Gebrauch von Kondomen aber oft nicht gegen Männer durchsetzen. Das gilt besonders für Sexarbeiterinnen.

Daher wird seit fast zwei Jahrzehnten intensiv an Mikrobiziden geforscht. Diese sollen, als Gel in die Scheide eingebracht, eine HIV-Übertragung beim Sex verhindern. Bisher hatte die Mikrobizidforschung allerdings nur Rückschläge einstecken müssen. In Wien gab es nun den ersten Erfolg zu vermelden. Von der Anwendung in der Praxis ist man aber noch ein gutes Stück entfernt.

Gel gegen die Epidemie

Teilnehmerinnen der Studie waren 889 sexuell aktive Frauen aus der südafrikanischen Provinz KwaZulu-Natal. Die Hälfte von ihnen erhielt ein Gel, das den antiretroviralen Wirkstoff Tenofovir in einprozentiger Konzentration enthält. Tenofovir als Tablette ist ein seit 2001 zugelassenes HIV-Medikament. Die andere Hälfte erhielt ein Placebo ohne Wirkstoff. Beide Gruppen wurden intensiv zu Safer Sex beraten und mit Kondomen versorgt.

Nach 30 Monaten Beobachtungszeit hatten sich in der Mikrobizidgruppe 38 Frauen mit HIV infiziert, in der Kontrollgruppe 60 Frauen. Dies entspricht einer Reduktion des Übertragungsrisikos um etwa 40 Prozent. Bei den Frauen, die das Gel sehr regelmäßig angewendet hatten, waren es sogar 54 Prozent.

Die teilnehmenden Frauen sollten das Mikrobizid maximal zwölf Stunden vor dem Sex oder bis zu zwölf Stunden nach dem Sex anwenden. Nach Abschluss der Studie war aber nicht klar, ob das Stundenintervall eingeschränkt werden müsste und ob die Anwendung nach dem Sex überhaupt wirksam ist. Diese Fragen müssen weitere Studien klären.

Ergebnisse noch unsicher

Die Autoren der Studie warnen vor zu großer Euphorie, noch sei die Datenlage zu unsicher. Je weniger Teilnehmerinnen in der Studie sind, desto größer ist das Risiko, dass der Effekt auf Zufall und nicht auf einer medizinischen Wirkung beruht. Außerdem wurden die Teilnehmerinnen im Vorfeld nach strengen Kriterien ausgewählt. Eine solche Auswahl spiegelt aber nicht die Situation im Alltag wieder.

„Die Ergebnisse sind ein wichtiger Schritt, aber noch kein Durchbruch“, erklärt Armin Schafberger, Medizinreferent der Deutschen AIDS-Hilfe. Bevor das untersuchte Mikrobizid zur Anwendung komme, müsse es noch mehrere Tests in größeren Studien bestehen. „Aber auf einen solchen Schritt nach vorne haben viele Frauen, die Schutz vor HIV benötigen, lange gewartet.“ (phei)

Weitere Informationen zum Thema Mikrobizide

Verantwortlich für die erfolgreiche Mikrobizid-Studie: Center for the AIDS Programme of Research In South Africa
http://www.caprisa.org/joomla/

Endlich ein Gel gegen HIV? Die Pressekonferenz zur südafrikanischen CAPRISA-Studie
http://globalhealth.kff.org/AIDS2010/July-20/Official-Press-Conference.aspx

Der lange Weg zu einem wirksamen Mikrobizid: kurz zusammengefasst vom Wall Street Journal
http://online.wsj.com/article/SB10001424052748703720504575377233902760528.html?mod=WSJ_business_LeftSecondHighlights

Lydia Mungherera, MD, an HIV-positive physician from Uganda who represents African NGOs on the UNAIDS board, talks about what a viable microbicide would mean for women and what she thinks is key for donor nations helping Africa. (Quelle: http://globalhealth.kff.org/News.aspx#book1)