Ein guter Tag für die „Apotheke der Armen“: Indien schützt Patienteninteressen

Das Oberste Gericht Indiens hat dem Krebsmedikament Glivec den Patentschutz verweigert, weil es lediglich eine Variation eines bekannten Moleküls sei.

Nachahmer-Produkte des Mittels, sogenannte Generika, dürfen damit legal hergestellt und vertrieben werden.

Die Deutsche AIDS-Hilfe (DAH) begrüßt das Urteil: „Die indische Justiz hat dem internationalem Druck standgehalten und Menschenleben vor Profitinteressen gestellt“, sagt DAH-Geschäftsführerin Silke Klumb. „Die Entscheidung hat große Bedeutung für den globalen Zugang zu Medikamenten, auch und gerade für Menschen mit HIV. Noch immer gibt es weltweit rund 7 Millionen HIV-Infizierte, die dringend eine Therapie brauchen, sie aber nicht bekommen. Hier steht auch die Pharmaindustrie in der Pflicht.“

„Novartis wollte einen Präzedenzfall schaffen, der eine wichtige Bestimmung des indischen Patentrechts ausgehebelt hätte, die den Zugang zu bezahlbaren Medikamenten vor unternehmerische Profite stellt, indem sie höhere Ansprüche an die Patentierbarkeit von Medikamenten stellt“, erläuterte Oliver Moldenhauer, Koordinator der Medikamentenkampagne von „Ärzte ohne Grenzen“ in Deutschland. Hätte Novartis gewonnen, so Moldenhauer, wäre die Produktion erschwinglicher Generika in Indien stark behindert und der Zugang zu lebensnotwendigen Medikamenten für Millionen Menschen weltweit erschwert worden.

In Indien sind rund 90 Prozent der verkauften Medikamente von heimischen Herstellern produzierte Generika. Deren Preis liegt oft mehr als 95 Prozent unter dem Originalpreis und wird so für den Großteil der Bevölkerung überhaupt erst erschwinglich.

Dies gilt insbesondere auch für Medikamente zur HIV-Behandlung. 80 Prozent der Präparate, mit denen „Ärzte ohne Grenzen“ weltweit HIV- und Aids-Patienten behandelt, stammen aus Indien. Durch die preiswerteren Kopien der Präparate konnten die Kosten für eine HIV-Behandlung von 10.000 US-Dollar pro Jahr auf rund 150 Dollar gesenkt werden.

Das Urteil zu Glivec fügt sich ein in eine ganze Reihe ähnlicher Entscheidungen indischer Gerichte. So musste bereits die deutsche Bayer AG das Patent für das Krebsmittel Nexavar freigeben, Roche Holding ihres für das Hepatitis-C-Mittel Pegasys, beim Pfizer-Konzern traf es das Krebsmittel Sutent, bei Merck ein Asthma-Präparat. Noch in diesem Monat steht die richterliche Entscheidung im Rechtsstreit um ein Generika des Leukämie-Medikaments Sprycel an.

(sho)

 

Quellen/weitere Informationen

Pressemitteilung von Ärzte ohne Grenzen vom 1.4.2013 (mit Link zu Hintergrundinformationen)

Indien unter Druck der EU (DAH-Blog, 23.3.2013)

Ein guter Tag für die „Apotheke der Armen“ (DAH-Blog, 7.3.2013)

Ein Geschäft auf Leben und Tod (DAH-Blog, 8.2.2011)