Gutes Zeichen für das Recht Gefangener auf Substitution

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die Bundesregierung aufgefordert, Stellung zur Beschwerde eines bayerischen Gefangenen zu nehmen, dem eine Substitution verweigert wird.

Der Rechtsbeistand des auch von der Deutschen AIDS-Hilfe unterstützten Gefangenen wertete dies als positives Signal, dass die Beschwerde als zulässig angesehen werden und es zu einem Verfahren kommen könnte. Das Bundesverfassungsgericht hingegen hatte die Beschwerde ohne Angabe von Gründen im August 2013 abgewiesen (Entscheidung Nr. 2 BvR 2263/12).

Bis zum 10. Oktober soll die Bundesregierung nun unter anderem die Frage beantworten, ob der Beschwerdeführer einer „unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung“ gemäß Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (MRK) unterworfen wurde, indem ihm ohne Hinzuziehung eines externen Suchtspezialisten eine Substitutionstherapie in Haft verweigert wurde.

Eine Stellungnahme wird außerdem zur Frage erbeten, ob er durch die Verweigerung der Substitutionsbehandlung gegenüber nicht inhaftierten oder gegenüber in anderen Bundesländern inhaftierten Drogengebrauchern diskriminiert und am Genuss der in der Menschenrechtskonvention garantierten Rechte und Freiheiten gehindert wurde.

Zum kalten Entzug gezwungen, Substitution verweigert

Der Gefangene ist seit seinem 18. Lebensjahr heroinabhängig, seit 1975 chronisch Hepatitis-C-infiziert und seit 1987 oder 1988 HIV-infiziert. Von 1991 bis 2008 befand er sich in Substitutionsbehandlung. Nach seiner Inhaftierung im Jahr 2009 wurde er jedoch zum „kalten Entzug“ gezwungen und sollte dann in einer Spezialklinik eine Abstinenztherapie machen, wo er aber heimlich das Substitutionspräparat Methadon konsumierte.

Er wurde daraufhin in die Justizvollzugsanstalt Kaisheim verlegt, wo ihm eine Substitutionstherapie ebenfalls verweigert wurde. Zur Behandlung seiner chronischen Schmerzen und seiner schmerzhaften Neuropathie wurden ihm lediglich höhere Dosen Schmerzmittel zugestanden. Eine Interferontherapie zur Behandlung seiner chronischen Hepatitis C war unter diesen Umständen und angesichts seines schlechten Gesundheitszustandes nicht möglich.

Dennoch wies das Landgericht Augsburg im März 2012 eine Klage des Gefangenen auf Substitutionsbehandlung ab, ohne die Stellungnahme einer auf Substitution spezialisierten externen Ärztin zu berücksichtigen.

Die Deutsche AIDS-Hilfe hatte das Urteil damals scharf kritisiert und ideologische Gründe vermutet, da die Substitution in Haft in anderen Bundesländern erfolgreich praktiziert wird. Sie verwies auf das Bayerische Strafvollzugsgesetz, wonach Gefangene eine genauso gute medizinische Behandlung erfahren müssen wie Menschen in Freiheit und Anspruch auf Krankenbehandlung haben, wenn diese notwendig ist, um die Verschlimmerung einer Krankheit wie zum Beispiel das Fortschreiten einer Hepatitis C zu verhindern oder Krankheitsbeschwerden zu lindern – wie die Substitutionstherapie nach Aussage des Gefangenen der einzige Weg war, seine chronischen Schmerzen zu lindern.

(hs)

 

Weitere Informationen

Deutsche AIDS-Hilfe kritisiert menschenverachtende Gerichtsbeschlüsse (Meldung auf aidshilfe.de, 17.04.2012)

Bayerischer Häftling will Substitutionsbehandlung in Haft erkämpfen (Meldung auf aidshilfe.de, 25.08.2011)