„Immun gegen AIDS?“ – Werbung für Gentest führt in die Irre

Der Slogan soll Hoffnung machen: „Immun gegen AIDS? – Du könntest es auch sein!“ Visitenkarten mit diesem Aufdruck sind kürzlich in der Berliner Schwulenszene verteilt worden. Sie werben für einen Test, der Aufschluss darüber geben soll, ob man durch eine genetische Besonderheit vor einer HIV-Infektion geschützt ist. „15 Prozent sind es“, verheißt die dazu gehörige Webseite in fetten Buchstaben, gefolgt von der Aufforderung: „Hier Test anfordern!“

Erst der deutlich kleinere Text auf der Seite relativiert die reißerische Botschaft etwas: „So erstaunlich es für den Laien klingt, in Westeuropa sind 10 bis 15 Prozent der Bevölkerung gegen das HI-Virus weitgehend immun.“

Werbung und Webseite stammen von einer Firma namens „Deutscher Labortest-Service“. Angeboten wird ein Gentest für rund 200 Euro. Der Kunde schickt dabei einen Abstrich von der Mundschleimhaut an einen Arzt und erhält auf dem Postweg das Ergebnis.

Was hat es mit diesem Angebot auf sich? Tatsächlich gibt es bei manchen Menschen genetische Besonderheiten, die eine Ansteckung mit HIV unwahrscheinlicher machen.Der Hintergrund: Um in menschliche Zellen einzudringen, benötigt HIV Rezeptoren auf der Zelloberfläche. Das sind Andockstellen, an denen das Virus sich mit der Zelle verbindet. Einer der Rezeptoren, die HIV nutzen kann, wird CCR5 genannt. Sind diese CCR5-Rezeptoren aufgrund einer genetischen Besonderheit fehlerhaft, können die meisten HIV-Viren nicht in die Zellen eindringen. Wie hoch die Wahrscheinlichkeit einer HIV-Infektion dann noch ist, hängt unter anderem davon ab, ob man das Gen für den fehlerhaften Rezeptor nur von einem Elternteil oder von beiden geerbt hat. Im ersten Fall hat man lediglich weniger Zellen mit funktionierenden CCR5-Rezeptoren als andere Menschen, im zweiten Fall gar keine.

Wer die genetische Anlage nur von einem Elternteil geerbt hat, ist darum wahrscheinlich etwas besser gegen eine Infektion geschützt als andere – wie viel besser, ist unklar. Zu dieser Gruppe gehören in Deutschland etwa 10 bis 15 Prozent der Bevölkerung. Bei Menschen aus südlichen Ländern sind es weniger, bei Migranten aus Afrika und Asien kommt diese Genvariante fast überhaupt nicht vor.

Nur etwa ein Prozent der deutschen Bevölkerung hat die genetische Anlage für den fehlerhaften Rezeptor von beiden Eltern geerbt. Diese Menschen sind vor einer HIV-Infektion tatsächlich fast vollständig geschützt. Aber eben nur fast: Einige HIV-Varianten benutzen nicht den CCR5-Rezeptor, sondern einen anderen namens CXCR4. Sie können trotz der Genveränderung in die Zellen eindringen.

Mit anderen Worten: Nur jeder Hundertste ist „weitgehend immun“ gegen HIV, aber eben nicht vollständig. Sicherheit kann der angebotene Test also niemandem bieten. Die Aussage, dass „10 bis 15 Prozent der Bevölkerung weitgehend immun“ seien, führt in die Irre.

Aus dem Ergebnis eines solchen Tests kann man also nicht schließen, dass man beim Sex auf Schutz vor HIV verzichten kann. Darauf verweist immerhin auch der Anbieter selbst – allerdings nicht auf den Visitenkarten und auch nicht auf seiner Startseite.

(Armin Schafberger/howi)

Kommentare

Die Zahl ist gering. Aber das kann auch nicht anders sein. Denn der Gendefekt wird ja bei HIV-Positiven so gut wie nie untersucht. Zudem fehlt bislang eine Studie, die darüber Auskunft gibt, bei wie viel Prozent der HIV-Positiven der Gendefekt vorliegt - und diese Zahl mit der Allgemeinbevölkerung vergleicht. Denn wenn man eine Konsequenz für die Prävention ziehen wollte, muss man über die Höhe des Restrisikos Bescheid wissen. Und davon sind wir noch weit entfernt. Sinnvoll aus Sicht der Prävention ist somit nicht, wenn sich Einzelne darauf untersuchen lassen, ob sie einen solchen Gendefekt für den CCR5-Rezeptor haben (denn daraus können wir beim derzeitigen Stand keine andere Präventionsbotschaft geben), sondern eine groß angelegte Studie, die untersucht, wie häufig trotzt Gendefekt eine Infektion stattfindet.