Neue Diskussion übers Blutspendeverbot für schwule Männer

Sollen Schwule Blut spenden dürfen? In Deutschland und Europa werden in den letzten Wochen immer mehr Stimmen laut, die ein Ende des Ausschlusses dieser Gruppe von der Blutspende fordern.

Anlass der Diskussion: Großbritannien hat am 8. September bekannt gegeben, ein entsprechendes Gesetz werde gelockert. Homosexuelle Männer dürfen dort künftig Blut spenden, wenn sie seit einem Jahr keinen Sex gehabt haben.

Die Bundestagsabgeordnete Barbara Höll (Die Linke) fordert nun erneut ein Ende des Verbots in Deutschland: Mit Blick auf eine Erklärung der EU-Kommission erklärte sie, die Regelung sei eine „gesetzeswidrige Diskriminierung" und schüre Vorurteile. „Nicht das tatsächliche Verhalten des Blutspenders, wie häufige Sexualpartner oder riskante Sexualpraktiken, sondern seine sexuelle Identität führen zum Ausschluss.“

Die EU-Kommission hatte schon im August klargestellt, dass der in den meisten Ländern Europas bestehende Ausschluss nicht mit EU-Recht begründet werden könne. Zwar dürften jene Menschen kein Blut spenden, deren sexuelles Verhalten ein erhöhtes Infektionsrisiko nach sich ziehe. „Sexuelles Verhalten“ sei aber nicht mit „sexueller Identität“ identisch, erklärte die Kommission. Und betonte im selben Atemzug, dass Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung nach der EU-Grundrechtecharta verboten sei.

Auch die Deutsche AIDS-Hilfe (DAH) ist mit der bestehenden Regelung unzufrieden. „Wir brauchen eine nicht-diskriminierende Lösung, die zugleich die hohe Sicherheit der Blutkonserven gewährleistet“, sagt Medizinreferent Armin Schafberger. Eine Lösung könnte ein Fragebogen für potenzielle Blutspender sein, der nach Infektionsrisiken in den letzten Wochen und Monaten fragt.

Das Robert-Koch-Institut arbeitet bereits an einem neuen Fragebogen für potenzielle Blutspender. Die Schwierigkeit dabei: Die Fragen müssen möglichst leicht verständlich sein, können nicht zu viel Wissen über Übertragungsrisiken voraussetzen und dürfen nicht zu intim sein. Denn viele Blutspender wissen nicht viel über HIV und haben Hemmungen oder schlicht keine Lust, über ihre Sexualität Auskunft zu geben.

In den Richtlinien der Bundesärztekammer ist bereits seit August 2010 festgeschrieben, dass bei der Risikoabfrage das reale Verhalten im Vordergrund stehen soll (aidshilfe.de berichtete). In der Praxis schlägt sich das bislang allerdings nicht nieder.

HIV-Übertragungen durch Blutspenden sind in Deutschland extrem selten: Statistisch gibt es etwa einen Fall in zwei Jahren. Alle Blutspenden werden mit verschiedenen Testverfahren auf HIV-Antikörper und Virusbestandteile getestet. Die Tests können HIV meist schon zwei bis vier Wochen nach der Ansteckung nachweisen, aber bis man bei einer Blutprobe eine HIV-Infektion mit Sicherheit ausschließen kann, dauert es drei Monate.

Der bisher praktizierte „Selbstausschluss“ einiger Blutspender ist also ein wichtiger Bestandteil der Sicherheit. Dabei könnte ein neues Verfahren sogar für eine Verbesserung sorgen: Möglicherweise antworten manche schwule Männer auf präzise Fragen nach realen Risiken ehrlicher als auf eine pauschale Frage, die ihren Ausschluss zum Ziel hat.

Zudem könnten mit einer neuen Regelung neue Blutspender gewonnen werden. Auch dieses Argument ist nicht zu vernachlässigen: Als im Frühsommer während der EHEC-Epidemie viele Infizierte Blut erhielten, wurden die Konserven knapp.

 (howi)

 

Quelle:

Stellungnahme der EU-Kommission vom 17.8.2011

Pressemitteilung von Barbara Höll vom 9.9.2011

Weitere Informationen:

„Blutspende – Homosexuelle Männer müssen (noch) draußen bleiben“ (aidshilfe.de am 4.11..2010)

Bericht der "Intergroup on LGBT Rights" im Europäischen Parlament

Bericht auf queer.de