Ticker vom Deutsch-Österreichischen AIDS-Kongress in Innsbruck

Die Deutsche AIDS-Hilfe ist vor Ort beim Kongress vom 12-15. Juni 2013 und berichtet hier von Höhepunkten und besonders wichtigen Ergebnissen.

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Deutsch-Österreichischer AIDS-Kongress 2013

Verleihung des HIV-Community-Preises 2013

 

15.6., 20.47 Uhr: Save the Date!

Das war's aus Innsbruck. Wir danken allen Leserinnen und Lesern für das Interesse und freuen uns auf den nächsten Deutsch-Österreichischen AIDS-Kongress vom 24. bis 27. Juni in Düsseldorf. Tschüss und Servus!

 

15.6. , 20.25 Uhr

Schluss mit Verdruss

Man muss es leider sagen: Die Abschlussveranstaltung des Kongresses heute Nachmittag ging daneben.

Viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren schon abgereist. Die wenigen, die zum Abschluss kamen, waren geblieben, um in der Rapporteurs-Session die Zusammenfassung der Kongress-Inhalte zu hören. Die aber entfiel einfach ohne nähere Erläuterungen.

Bei den Danksagungen blieb das Community-Board unerwähnt, obwohl gerade die Vertreterinnen und Vertreter der Community viel zu gelungenen Veranstaltungen des Kongresses beigetragen haben.

Fazit: Der 6. Deutsch-Österreichische AIDS-Kongress (DÖAK) bot in traumhaft schöner Umgebung nach einer gelungenen Eröffnung einen wunderbaren Rahmen für das Treffen der „Branche“ und zahlreiche spannende Themen. Viele Veranstaltungen waren allerdings überfrachtet; oft fehlten ein roter Faden und Zeit für Diskussionen.

 

Viruslast unter der Nachweisgrenze: Sicher ist sicher – oder? 

Unter der Nachweisgrenze geht's weiter!" lautet der Untertitel dieses Kongresses. Gemeint ist: Eine HIV-Übertragung ist bei einer gut wirksamen Behandlung, wenn mit den üblichen Tests keine Viren mehr im Blut nachweisbar sind, so gut wie ausgeschlossen. Das ist wissenschaftlich erwiesen, wirft aber immer wieder Fragen auf: Ist der Schutz durch Therapie sicher genug? Welche Rolle spielen andere sexuell übertragbare Infektionen für die Übertragungswahrscheinlichkeit? Wie kann das Thema in der HIV-Prävention transportiert werden? Sollten HIV-Positive unter Therapie ihre Sexpartner über ihre Infektion informieren, wenn diese ungeschützten Sex wollen?

Unter dem deutlich zu eng gefassten Titel „Mein Status geht euch nix an!“ wurde heute mehr als zwei Stunden lang über diese neuen und alten Fragen (und viele weitere) heiß debattiert. Es ist unmöglich, den Diskussionsverlauf hier nachzuzeichnen oder auch nur alle Aspekte zu benennen.

Ein Aspekt war die Frage: Ist auf den Schutz durch die HIV-Therapien wirklich Verlass? Dr. Stefan Esser wusste, dass er sich unbeliebt machte, als er die These aufstellte, Therapie plus Kondom sei doch die sicherste und darum beste Variante.

Pietro Vernazza vertrat den Gegenstandpunkt. Mit der Eidgenössischen Kommission für Aidsfragen hat er vor gut fünf Jahren der Welt die Erkenntnis mitgeteilt, dass HIV unter gut wirksamer Therapie sexuell so gut wie nicht übertragbar ist. „Wir sahen uns ethisch dazu verpflichtet, diese Information weiterzugeben - die Information darüber, dass das Risiko sehr gering ist.“ Patienten hätten damals die Übertragungsgefahr drastisch überschätzt.

Auch heute plädierte Vernazza dafür, deutlich zu machen, dass die HIV-Medikamente ein wirksamer und ausreichender Schutz sein können. Denn das Wissen darüber kann helfen, Sexualität ohne Angst vor HIV zu leben – und auf Wunsch auch ohne Kondom. Ein Wunsch, der für Vernazza – wie für die meisten Teilnehmer der Diskussion - sehr verständlich ist.

Fakt ist: Die Therapien schützen Studien zufolge mindestens so effektiv vor einer HIV-Übertragung wie Kondome. Dementsprechend kann auch Sex ohne Kondom Safer Sex sein. Matthias Kuske, Leiter der Kampagne ICH WEISS WAS ICH TU bei der Deutschen AIDS-Hilfe erläuterte am Ende der Veranstaltung, wie die Kampagne in Zukunft noch intensiver über die Schutzwirkung der Therapie informieren wird.

Ausführliche Informationen über den Schutz durch Therapie stellt die Deutsche AIDS-Hilfe zum Beispiel in einem Dossier sowie in Form von häufig gestellten Fragen (FAQs) bereit.

 (howi)

 

Morgenplenum: Hellwach in den Tag

Erster Vortrag: Alt werden, ohne alt zu sein: Neue Herausforderungen für die HIV-Therapie

Das frühe Aufstehen hat sich gelohnt! Exzellente Vorträge über das Älterwerden mit HIV und Stigmatisierung von Menschen mit HIV belohnten alle, die es nach dem abendlichen „Sozialen Event“ des Kongresses um 8.30 Uhr in den Plenarsaal geschafft hatten.

Sicher, ein weiteres Stündchen Schlaf hätte den Alterungsprozess vielleicht milder gestimmt und auch Referent Hans Jürgen Stellbrink vom Infektionsmedizinischen Centrum Hamburg (ICH) beklagte sich, dass er mittlerweile zwar nach offiziellen Statistiken schon als älterer Mensch gelte, aber trotzdem so früh eingeplant worden sei.

Doch Professor Stellbrink war hellwach und trug zum Start in den Tag Erhellendes vor.

Bereits seit einigen Jahren steht die Frage im Raum, ob Menschen mit HIV früher altern, genauer: ob sie von bestimmten Alterserkrankungen verstärkt betroffen sind. Die wissenschaftlichen Aussagen dazu variieren.

Die gute Nachricht heute morgen: Die Lebenserwartung von HIV-Positiven ist nicht so viel niedriger wie oft vermutet wird, sondern nähert sich immer mehr der normalen an. Bei einer gut funktionierenden Therapie haben Menschen mit HIV offenbar auch nicht vermehrt mit kognitiven Einschränkungen zu rechnen, also zum Beispiel mit Einbußen beim Gedächtnis bis hin zu Demenz.

Von Bedeutung ist die Kombination von HIV und Erkrankungen des Alters. Die Komplikationen, die bei älteren HIV-Patienten beschrieben werden, unterscheiden sich nicht von denen, die generell beim Altersprozess auftreten können. Die Frage lautet: Treten diese Erkrankungen häufiger oder früher auf?

Der Einfluss von HIV wird hier offenbar teilweise überschätzt. Nicht immer ist das Virus die Ursache. Die Aufgabe der Ärzte: Genau hinschauen und normalen Alterungsprozess mit all seinen Folgen bei Patienten mit HIV immer mitdenken, auch um HIV-Patienten nicht zusätzlich Angst zu machen.

Eine wichtige Frage, die wir für die Zukunft dringend beantworten müssen: Wie gewähren wir die hausärztliche Versorgung älterer HIV-Patienten? Hausbesuche und Heimbesuche müssen künftig (wieder) zu den Aufgaben gehören.

(Silke Eggers/howi)

 

Zweiter Vortrag: Die HIV-Infektion als Stigma: Zur Metaphorik von Schuld

Dr. Dr. Stefan Nagel, promovierter Arzt und Philosoph sowie Psychoanalytiker, gab dem Publikum einen Einblick in die Ursachen der Stigmatisierung von Menschen mit HIV und die Folgen für die Wahrnehmung der Erkrankung.

Die Eingangsfrage: Warum sind die alten und falschen Bilder von HIV/Aids – das Gefühl fast unmittelbar tödlicher Bedrohung, die Illusion leichter Übertragbarkeit – so schwer aus den Köpfen zu bekommen?

Nagels Erklärung: Weil HIV sexuell übertragen wird und zwar vor allem durch homosexuelle Handlungen. „Die Krankheit wird zum Stigma, weil sie den Normverstoß sichtbar macht.“ Dabei hat die Strenge des Urteils nach Nagels Auffassung zugenommen, weil heute kaum mehr die Möglichkeit bestehe, von HIV nichts gewusst zu haben, als man sich infizierte: „Man kann sich nicht mehr durch Nicht-Wissen schützen.“

Die symbolische Wahrnehmung von HIV als Bestrafung für eine Normverletzung führt demnach zu einer falschen Wahrnehmung der „realbiologischen“ Ebene, also der wahren Infektionswahrscheinlichkeit, und einer Überschätzung der gesundheitlichen Folgen der Infektion.

Erhalten HIV-Positive eine gut wirksame Therapie, ist eine Übertragung  so gut wie ausgeschlossen. In letzter Zeit wird dies in verschiedenen Bereichen verstärkt ins Feld geführt, um Stigmatisierung entgegenzuwirken. Dies setzt nach Nagels Ausführungen allerdings neue Normen, die Stigmatisierung Vorschub leisten können. Die Gefährlichkeit wird nun verstärkt denen zugeschrieben, die noch keine Medikamente nehmen. Dabei entsteht möglicherweise erst die Wahrnehmung, ihre Infektion sei im Alltag ein Risiko für andere – was natürlich nicht der Fall ist.

Nagel: „Es entstehen in bester Absicht Diskriminierungsprozesse.“

Was tun? Der wichtigste Rat: Über die symbolische Ebene von HIV muss ebenfalls gesprochen werden, auch öffentlich. Es genügt nicht, nur die „realbiologischen“ Fakten anzusprechen, in der Hoffnung, sie würden sich mit der Zeit schon durchsetzen.

(howi)

Der Vortrag von Stefan Nagel wird demnächst im DAH-Blog veröffentlicht.

 

15.6., 13.30 Uhr: Diskriminierung ist heilbar

„Wollen Sie uns hier alle anstecken?“ Mit diesen Worten reagierte ein Kieferchirurg aus Potsdam, nachdem ein HIV-positiver Mann  in der Praxis einen Hustenanfall bekam.  Der Chirurg operierte nicht mehr weiter und sagte seinem Patienten, dass er nicht mehr wiederkommen solle. Ein Ausnahmefall, eine seltene Entgleisung - sollte man denken.

Dass dem nicht so ist, wurde im Workshop „Diskriminierung, Arbeit und Stigma“ deutlich. Vorgestellt wurden Ergebnisse des Projektes „positive stimmen“ und einer weiteren Untersuchung, die von der Deutschen AIDS-Hilfe 2012 durchgeführt wurde. Die Ergebnisse sind ernüchternd: Zahlreiche Befragte haben schon übertriebene Schutzmaßnahmen, wie unübliche Schutzkleidung oder demonstratives Desinfizieren erlebt. Schlimmer noch: Einem Fünftel der Befragten bei "positive stimmen" wurde schon einmal eine Behandlung verweigert. Besonders oft ist das in Zahnarztpraxen und in Krankenhäusern vorgekommen.

Was also tun? „Es liegt auf der Hand, dass wir eine bessere Aus- und Weiterbildung von Ärzten und anderen im Gesundheitswesen tätigen Menschen zum Thema HIV brauchen“ sagt Steffen Taubert von der Deutschen AIDS-Hilfe.  „Vor allem im Bereich der Zahnärzte gibt es noch viel zu tun, Anfänge sind aber schon gemacht."

Ein nachahmenswertes Beispiel gibt es aus Baden-Württemberg: Durch die Kooperation eines HIV-behandelnden Arztes mit einer Aidshilfe konnten schon über hundert Zahnärzte geschult werden.  Das Angebot stößt also bei den Ärzten durchaus auf Interesse. Durch die Schulung erhalten sie Informationen und somit mehr Sicherheit. Das ist der Schlüssel, um HIV-positive Patientinnen und Patienten angemessen behandeln zu können – nämlich genau so, wie andere auch.

Auch auf Bundesebene sind erste Maßnahmen auf dem Weg: „Wir sind im Gespräch mit der Bundeszahnärztekammer, um gemeinsam zu überlegen, wie Abhilfe geschaffen werden kann", sagt Taubert. (Werner Bock)

 

14.6., 19.55 Uhr: Mit vereinten Kräften für die Qualität der HIV-Prävention in der EU

Bereits am Mittwochnachmittag, also vor offiziellem Beginn der Konferenz, stand im Rahmen eines von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) organisierten Symposiums das Thema Qualitätsentwicklung auf der Diskussionsagenda. Vorgestellt wurde die neue EU-weite Initiative „Quality Action. Improving Quality in HIV Prevention“.

Bei der dreijährigen Initiative geht es darum, in den 25 beteiligten EU-Ländern die Sensibilität für den Nutzen von Qualitätsentwicklung zu erhöhen. Konkret sollen dafür in möglichst vielen HIV-bezogenen Projekten Instrumente der Qualitätsentwicklung zur Anwendung kommen (z.B. „Partizipative Qualitätsentwicklung“, siehe dazu http://pq-hiv.de ).

Besonders bei der Initiative ist der zugrunde liegende Begriff von Qualität:  Es geht nicht um einen externen, prüfenden und kontrollierenden Blick, sondern darum, dass Akteure Möglichkeiten bekommen, sich selbst mit der Arbeit in ihren Projekten auseinandersetzen und Potenziale für Verbesserungen zu erarbeiten.

Geleitet werden soll die Initiative dabei von den Grundgedanken von Partizipation und Reflektion. Es soll Raum geschaffen werden für die Reflektion der Fragen: Was machen wir eigentlich schon gut? Was sind die Gründe für Erfolge, aber auch für Misserfolge in der Arbeit? Und wie können wir unsere Arbeit noch besser machen? Dabei sollen möglichst viele und inhaltlich ganz verschiedene Projekte die Möglichkeit haben, an der Initiative teilzunehmen.

Die Koordination dieser Aufgabe hat sich unter anderem die Deutsche AIDS-Hilfe auf die Fahnen geschrieben, die in den nächsten drei Jahren ebenfalls zum Erfolg der Initiative beitragen will. (Carolin Vierneisel) 

 

14.6., 16.05 Uhr: Schritte zur Überwindung der Kriminalisierung

Auffällig an diesem Kongress: Die meisten Veranstaltungen bestehen aus eng getakteten Kurzreferaten, für Diskussionen bleibt keine Zeit.

Die Deutsche AIDS-Hilfe hat diesem Trend heute Nachmittag einen Workshop entgegengesetzt: Unter dem Titel „ Kriminalisierung der HIV-Infektion und –Exposition  - Ein Irrweg der Justiz!“ haben wir mit rund 70 Leuten intensiv über Wege aus der Strafbarkeit der HIV-Übertragung diskutiert. Denn die Kriminalisierung diskriminiert Menschen mit HIV und verhindert keine HIV-Infektionen – im Gegenteil. (Siehe Pressemitteilung vom 12.6.)

Auf dem Podium saßen neben DAH-Vorstandsmitglied Carsten Schatz Wiltrud Stefanek (PULSHIV Wien), der Mediziner Hans Jürgen Stellbrink (Infektionsmedizinisches Zentrum Hamburg) und der Kölner Rechtsanwalt Jacob Hösl.

Nach einer Bestandsaufnahme widmete sich die Veranstaltung vor allem der Frage, was konkrete nächste Schritte sein könnten, um die Kriminalisierung gängige Rechtsprechung zu überwinden und sinnvoll auf Prozesse einzuwirken.

Maßnahmen könnten zum Beispiel sein:

  • Eine Liste von geeigneten Gutachtern, auf die Gerichte zugreifen können.
  • Anregungen, wie Gutachten sinnvoll formuliert werden können. Denn bestimmte Begriffe wie „Restrisiko“ werden oft falsch verstanden und führen zum Beispiel zu einer drastischen Überschätzung des Übertragungsrisikos (das bei einer wirksamen Therapie fast Null beträgt)
  • Weitere Lobbyarbeit im Justizsystem, das Vorurteile ausräumt und Verständnis für das Thema schafft: Weder ist HIV-Prävention die Aufgabe von Gerichten, noch ist die Bestrafung hilfreich – im Gegenteil.
  • Ein Urteil des Bundesgerichtshof, das ein Urteil aus dem Jahr 1988 korrigieren müsste, wäre wünschenswert, kann aber nur zustande kommen, wenn jemand durch alle Instanzen klagen würde – womit man nicht rechnen kann. (howi)

Positionspapier der Deutschen AIDS-Hilfe: „Keine Kriminalisierung von Menschen mit HIV!“

Dossier zur Kriminalsierung der (potneziellen) HIV-Übertragung

 

14.6., 10.30 Uhr: Deutsche AIDS-Gesellschaft wählt Vorstand neu

Die Mitgliederversammlung der Deutschen AIDS-Gesellschaft (DAIG) hat gestern Abend ihren Vorstand neu gewählt. Dabei wurde der alte Vorstand einstimmig bestätigt. Professor Dr. Georg Behrens von der Medizinischen Hochschule Hannover bleibt DAIG-Präsident. Alle Vorstandsmitglieder: http://daignet.de/site-content/die-daig/vorstand 

Noch vor seiner Wiederwahl hat Behrens gestern den Deutschen AIDS-Preis 2013 verliehen. Die diesjährigen Preisträger sind Dr. Markus Hentrich, Dr. Christian Hoffmann und Dr. Christoph Wyen für ihre Arbeiten zu Lymphomen bei HIV-Patienten. Der mit 10.000 Euro dotierte Preis wird alle zwei Jahre für herausragende Arbeiten im HIV-Bereich vergeben. (howi)

 

14.6., 10.15 Uhr: "Lebensort Vielfalt" gewinnt HIV-Community-Publikumspreis

Und der Gewinner des HIV-Community-Publikumspreises ist: das generationenübergreifende Wohn- und Kulturprojekt "Lebensort Vielfalt" der Schwulenberatung Berlin. Das gaben Christoph Mayr (DAGNÄ-Vorstand) und Silke Klumb (Geschäftsführerin der Deutschen AIDS-Hilfe) soeben im Plenum bekannt. Zuvor hatten die Kongressteilnehmerinnen und -teilnehmer die Gelegenheit unter fünf Projekten auszuwählen, die die Jury vorher als preiswürdig eingestuft hatte. Der Preis ist ist mit 2.000 Euro dotiert. Herzlichen Glückwunsch!

Der Lebensort Vielfalt verbindet generationenübergreifendes Wohnen, kulturelle Veranstaltungen sowie das umfassende Angebot der Schwulenberatung und organisiert neue Formen nachbarschaftlicher, ehrenamtlicher und professioneller Unterstützung. Ein Teil der Bewohner ist HIV-positiv. Für Pflegebedürftige stehen verschiedene flexible Möglichkeiten zur Verfügung. 

Der HIV-Community-Preis wird alle zwei Jahre vergeben. (howi)

Homepage des "Lebensort Vielfalt"

Alles über den Preis und alle Projekte auf der Homepage des HIV-Community-Preises

 

13.6., 15.22 Uhr: Helferzellen helfen nicht immer

Wann soll man mit der Therapie beginnen? Bei der Diskussionsrunde um diese Frage heute Vormittag läuft Georg Behrens, der alte Präsident der Deutschen AIDS-Gesellschaft (heute Abend ist die Wahl für die nächsten zwei Jahre), zu Hochform auf. 

Was ist der Hintergrund: Die Deutsch-Österreichischen Therapieleitlinien empfehlen einen Start der Therapie, wenn die Zahl der Helferzellen durch die HIV-Infektion auf 350 pro Mikroliter Blut gesunken ist. Die WHO wird bei einer Konferenz der Internationalen Aids-Gesellschaft IAS Anfang Juli in Kuala-Lumpur den Therapiestart bei schon 500 Helferzellen pro Mikroliter Blut empfehlen. Soll man also generell früh therapieren, auch um neue Infektionen zu verhindern und somit die HIV-Epidemie zu begrenzen?

Behrens stellt klar, dass man sich aus der HIV-Epidemie nicht "raustherapieren" kann. Nicht solange es Diskriminierung und Stigma gibt. Die gelte es zu bekämpfen. Die Verhinderung neuer Infektionen als Zusatznutzen einer HIV-Therapie sei zwar ein durchaus wünschenswerter Effekt, aber kein Grund, HIV-Positiven grundsätzlich eine frühere Therapie zu empfehlen. Therapie bleibt doch Therapie. Und sie kann nur dann erfolgreich sein, wenn diejenigen, die die Medikamente einnehmen müssen, rechtzeitig von ihrer Infektion erfahren und auch vom Nutzen der Therapie überzeugt sind.

 

Und um den Nachweis des Nutzens einer frühen Therapie (bei 500 statt bei 350 Zellen) wird wissenschaftlich noch gestritten. "Wir haben schwache Daten aus starken Studien und starke Daten aus schwachen Studien", sagt Behrens. Wenn wir aber generell früher therapieren, sollte das auf starken Daten aus starken Studien resultieren. Die könnten in zwei Jahren vorliegen, wenn die weltweit durchgeführte START-Studie erste Ergebnisse liefert. Was passiert eigentlich, so Behrens, wenn die WHO den Therapiestart 2013 bei 500 Helferzellen festlegt und die Ergebnisse von START zwei Jahre später nicht für einen früheren Therapiestart sprechen? Sagt man dann "Sorry, wir ändern die Leitlinien wieder ab" oder belässt man die Leitlinien so und findet andere Argumente?

Überhaupt: Ist es eigentlich sinnvoll, die Helferzellen als Maßstab für eine frühe Therapie zu nehmen? Bei Werten unter 350 Helferzellen weiß man, dass die Zahl der Helferzellen den Zustand des Immunsystems gut wiederspiegelt. Aber bei Werten über 350 ist der Zusammenhang zwischen Helferzell-Zahl und Zustand des Immunsystems nicht sehr aussagekräftig. "Helferzellen helfen nicht immer" so Behrens. "Jedenfalls nicht in diesem Bereich". (Armin Schafberger)

 

12.6., 11.53 Uhr: Rollenspiele helfen beim Reden über Sex und Schutz

„Ein guter Beginn für den DÖAK“, schreibt eine Teilnehmerin in den Evaluationsbogen.  „Das wichtigste war zu lernen, wie wichtig ein wertschätzender Umgang mit Patienten ist“, eine andere Teilnehmerin.

Die Deutsche AIDS-Hilfe organisierte am Mittwoch, dem ersten Kongresstag, ein zweistündiges Kommunikationkationstraining unter dem Titel „Reden über STI, Schutz und Risiko“ für die Kongressteilnehmer. Mit Christopher Knoll, Gabi Jung und Helmut Hartl waren erfahrene Trainerinnen und Trainer am Start, die gleich in die vollen gingen.

Zwei Gruppen, zwei Rollenspiele. In der einen geht es um die Beratung eines Mannes, der häufiger an Syphilis erkrankt. In der anderen Gruppe um die Frage: Wie berate ich einen verheirateten Mann, der erst langsam offenbart, dass er auch häufig Sexkontakte mit Männern hat. Aus der Frage „Haben Sie auch verhütet?“ entwickelt Trainerin Gabi Jung eine Diskussion über die richtige Sprache. Es gebe kein richtig oder falsch in der Kommunikation zwischen zwei Menschen, so Gabi Jung, entscheidend sei, dass sich die Gesprächspartner verstehen.

Die Übungen scheinen Lust auf mehr gemacht zu haben. „Noch mehr Rollenspiele“ wünschte sich eine Teilnehmerin am Ende des Workshops. Why not? Die DAH bietet den Workshop auch außerhalb von Kongressen an. Infos dazu: www.aidshilfe.de/aerztefortbildung (Steffen Taubert)

 

13.6., 10.05 Uhr: Kombinationsprävention wirkt

Christiana Nöstlinger (nicht identisch mit der ähnlichnamigen Jugendbuchautorin) referiert im Plenum über „Kombinationsprävention“. Der Begriff, der immer häufiger zu hören ist, entstand in Analogie zur Kombinationstherapie. Er bezeichnet die Kombination aus verschiedenen Methoden, die zur Vermeidung von HIV-Infektionen beitragen können.

Dazu gehören die HIV-Therapien, die die Übertragungswahrscheinlichkeit auf nahezu Null senken können, ebenso wie die klassische Prävention, die über Schutzmaßnahmen informiert und für eine Verbesserung der gesellschaftliche Situation der am stärksten von HIV betroffenen Gruppen eintreten. Auch niedrigschwellige und passgenaue Testangebote für die jeweiligen Gruppen sind wichtig, damit HIV-Diagnosen möglichst frühzeitig erfolgen. Denn noch immer erfahren nach Nöstlinger knapp die Hälfte der Menschen mit HIV in der EU zu spät von ihrer Infektion - wenn der optimale Zeitpunkt zum Einstieg in der Therapie bereits verstrichen ist.

Die nicht allzu überraschende Conclusio: Die Kombinationsprävention wirkt, ist aber „keine Wunderpille“. Nöstlinger stuft dabei die medzinische Komponente als wichtiger ein. Sie trägt damit zu dem Trend bei, die Rolle der Therapien übermäßig zu betonen. Aus Sicht der Deutschen AIDS-Hilfe bleibt die "klassische" Prävention enorm wichtig: Die Medizin kann zum Beispiel HIV-Infektionen nicht verhindern, wenn Menschen beim Sex nicht wissen, dass einer HIV-positiv ist (eher der Regelfall als die Ausnahme). Auch gegen Stigma und Diskriminierung, die Menschen von HIV-Test, Behandlung und dem Reden über HIV abhalten, helfen keine Pillen. Nach Auffassung der Deutschen AIDS-Hilfe muss die Devise lauten: Das eine tun, das andere nicht lassen - ohne das eine für wichtiger als das andere zu erklären.

Erkenntnis nebenbei: Heterosexuelle haben keinen Analverkehr. Nie.  Jedenfalls setzt Nöstlinger in ihrer Interpretation der Studie HPTN 052, die vor allem heterosexuelle Paare einschloss, das Sexverhalten der Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit „vaginalem Geschlechtsverkehr“ gleich. Wir sind da optimistischer: Die Studie sagt durchaus etwas darüber aus, dass eine HIV-Übertragung unter einer wirksamen Therapie auch beim Analverkehr extrem unwahrscheinlich ist. (howi)

 

13.6., 9:45 Uhr: Start in den Tag mit Antikörpern

Hallo wach! Der Tag beginnt um 8.30 Uhr mit einem Hochgeschwindigkeitsvortrag auf Englisch. Die Virologin Alexandra Trkola berichtet über die aktuelle Forschung über Antikörper, die gegen HIV wirken – mit einer Fülle spannender Fakten, dafür ohne Punkt und Komma. Eine sportliche Herausforderung am frühen Morgen, die sich lohnt.

Wie wirken körpereigene Antikörper auf HIV? Gibt es dabei Unterschiede bezüglich der HIV-Viren, die sich frei schwimmend im Blut bewegen, bevor sie in Zellen eindringen und solchen, die von Zellen zu Zellen weitergegeben werden? Ja, die gibt es. Die Forschung hat bereits eine ganze Menge über die Wirksamkeit von Antikörpern herausgefunden und steht nun vor der Herausforderung, ihre Wirkungen in HIV-Therapien zu nutzen, etwa indem man die Bildung solcher Antikörper fördert oder Medikamente entwickelt, die ähnlich funktionieren wie die Antikörper. Vor allem aber könnte dieses Wissen die Grundlage zur Entwicklung eines Impfstoffes bilden. (howi)

 

12.6.2013, 19.25 Uhr: Die Keynote

Michel Kazatchkine, ehemaliger Geschäftsführer der Globalen Fonds gegen AIDS, Tuberkulose und Malaria spricht in diesen Minuten die Keynote des Kongresses. Titel: "Der Anfang vom Ende von Aids". Er zeichnet die Bedingungen der bisherigen Erfolge nach - Fortschritte in Gesellschaft und Forschung, finanzielle Aufwendungen. Jetzt sei ein Rückgang des Engagements zu konstatieren, die internationalen Mittel stagnierten bereits im dritten Jahr, durch Verarmung zahlreicher Menschen weltweit steige der Bedarf. Die zusätzlichen Aufwendungen der stark von HIV betroffenen Ländern könnten die Fehlbeträge nicht ausgleichen. (howi)

 

12.6., 19.14 Uhr: Der Kongress wird aktiv

Motivator und Jonglator Stefan Ehlers erklärt das Kongressmotto "Begegnen - Bewegen - Verstehen" und Lernprozesse mit einem Jonglierkurs. Jede und jeder im Saal Innsbruck in Innsbruck hat drei Bälle bekommen und es geht hoch her! Als Kennenlernspiel perfekt! Mehr lässt sich im Ticker-Format nicht transportieren, tut uns leid! (howi)

 

12.6., 19.03 Uhr: HIV-Community-Preis verliehen

Der HIV-Community-Preis geht an zwei Aidshilfe-Projekte! Das Projekt „Die Gesundgärtner“ der Hannöverschen AIDS-Hilfe sowie das „Café Afrika“ der AIDS-Hilfe Hamburg teilen sich die erstmals vergebene Auszeichung.

Die Juroren Kelly Cavalcanti und Manfred Müller haben dem Publikum die Preisträger vorgestellt.

"Die Gesundgärtner" sind verschiedenste HIV-positive Klientinnen und Klienten der Aidshilfe - darunter Migranten, Drogengebraucher und sozial Benachteiligte, die gemeinsam einen Schrebergarten in einer traditionellen Kleingärtnerkkolonie bewirtschaften und sich auf diese Weise näher kommen. Das Projekt darf sich über 8000 Euro Preisgeld für die weitere Arbeit freuen. 

Im „Café Afrika“ treffen sich Migrantinnen und Migranten zum regelmäßigen Austausch. Neben einem hauptamtlichen Sozialarbeiter halten 16 ehrenamtliche Gesundheitsbotschafterinnen und -boschafter den Laden in Schwung - sie sprechen verschiedene afrikanische Sprachen. Ideale Bedingungen, um in geschütztem Rahmen auch über HIV/Aids und andere sexuell übertragbare Infektionen zu sprechen. 4000 Euro Preisgeld fließen in die Café-Kasse.

Der HIV-Community-Preis wird von der Deutschen AIDS-Gesellschaft (DAIG), der Deutschen AIDS-Hilfe (DAH), der Deutschen Arbeitsgemeinschaft niedergelassener Ärzte in der Versorgung HIV-Infizierter (dagnä) und von der Pharmafirma Janssen gemeinsam verliehen. Er soll nachahmenswerte Ideen fördern, die Versorgung und soziale Integration von Menschen mit HIV unterstützen. (howi)

Mehr Informationen: www.hiv-community-preis.de

 

12.6., 18.28 Uhr Medienpreis verliehen

Träger des Medienpreises der Deutschen AIDS-Stiftung sind:

Ein guter Jahrgang - herzlichen Glückwunsch! (howi)

 

12.6., 17.56 Uhr Kongress eröffnet

Es begann mit verjazzter österreichischer Volksmusik der Formation The Gang vor einem vollen Saal, im Hintergrund das Kongress-Logo mit Aids-Schleifen und Alpenkulisse. 

Der 6. Deutsch-Österreichische AIDS-Kongress (DÖAK) ist offiziell eröffnet. Schon heute Nachmittag liefen die ersten Veranstaltungen, waren aber noch recht dünn besucht. Mittlerweile sind die meisten Kongressteilnehmerinnen und -teilnehmer eingetroffen und erwarten mehrere Grußworte und Preisverleihungen zum Auftakt des 6. DÖAK. Danach trifft man sich zum Get-together.

Kongresspräsident Heribert Stoiber betonte bei der Eröffnung die sozialen Ansprüche des Kongresses. Es gehe darum, unter dem Motto "Begegnen - verstehen - bewegen" das Thema HIV und Aids verstärkt in die Gesellschaft tragen. Moderator Michael Schefts wies darauf hin, es gebe in der Umgebung des Kongress-Zentrums schließlich genug Berge zum Versetzen.

Wiltrud Stefanek, Sprecherin des Community-Boards erklärte, dass der gesellschaftliche Fortschritt in Österreich mit dem medizinischen nicht Schritt gehalten habe. Noch immer hätten HIV-Positive in Österreich es schwer, einen Zahnarzt zu finden. 2010 habe die Jusitzministerin erklärt, es werde in Österreich niemand mehr wegen HIV-Übertragung oder -Exposition verurteilt, wenn er Safer Sex betrieben habe oder die Viruslast unter der Nachweisgrenze gelegen habe. Das sei immer noch nicht umgesetzt, monierte Wiltrud Stefanek. (howi)