„Wir können die Menschen nicht weiter leiden und sterben lassen“

Gesetze behindern weltweit in vielfacher Weise den effektiven Umgang mit der HIV/Aids-Epidemie und schreiben die Verletzung von Menschrechten fest. Zu diesem Ergebnis kommt die „Globale Kommission zu HIV und Recht“.

Unter dem Titel „Risiken, Rechte und Gesundheit“ hat sie am heutigen Montag nach 18-monatiger Recherche ihren Bericht vorgestellt. Dem Gremium gehören Persönlichkeiten aus Politik, Justiz, Wissenschaft sowie Aktivistinnen und Aktivisten aus aller Welt an. Für den Bericht wurden mehr als 700 Experten aus 140 Ländern befragt.

„Oft waren wir einfach sprachlos, wie Gesetze die Menschenrechte verletzen, vernünftige Lösungen des öffentlichen Gesundheitswesens verhindern und das soziale Netz zerstören“, sagt der Kommissionsvorsitzende Fernando Henrique Cardoso, ehemaliger Präsident Brasiliens. Er hoffe, der Bericht werde vielen unangenehm sein – unangenehm genug, um endlich zu handeln. „Wir können nicht länger Menschen aufgrund von Ungleichheit, Ignoranz, Intoleranz und Gleichgültigkeit leiden und sterben lassen. Die Kosten des Nichtstuns sind einfach zu hoch.“

Viele Menschen hätten keinen Zugang zu Prävention, Tests und Behandlung, was die Ausbreitung der HIV-Epidemie weiter anfache. Die von HIV besonders stark betroffenen Gruppen wie Homosexuelle und Drogenkonsumenten würden häufig strafrechtlich verfolgt, oft ginge dies einher mit brutaler Polizeigewalt und ungerechter Justiz. Gleichgeschlechtlicher Sex sei in über 78 Ländern ein Straftatbestand. In über 60 Ländern würden Menschen mit HIV bestraft, wenn sie Sexpartnern nichts von ihrer HIV-Infektion erzählen beziehungsweise wenn beim Sex ein Übertragungsrisiko bestehe.

Ein weiteres Beispiel sei das internationale Handelsrecht: Gesetze zum Schutz des geistigen Eigentums verhinderten häufig den Zugang zu preisgünstigen Generika – Millionen Menschen mit HIV müssten immer noch auf die lebensrettenden Medikamente warten.

Die Kommissionsmitglieder sehen aber auch Anlass zur Hoffnung: Wo Regierungen etwa Maßnahmen wie Spritzenvergabe und Drogenkonsumräume unterstützten, seien die HIV-Infektionsraten signifikant gesunken, und einige Länder hätten per Gesetz Zugang zu bezahlbaren Medikamenten geschaffen.

„Diese Erfolge können und müssen ausgebaut werden“, heißt es in dem Bericht. Die Diskriminierung und strafrechtliche Verfolgung der von HIV Bedrohten und Betroffenen müsse aufhören. Stattdessen gelte es, Prävention, Versorgung und Behandlung für alle anzubieten, die sie brauchen.

Die Kommission empfiehlt unter anderem

  • keine Gesetze zu erlassen, welche die HIV-Übertragung oder -Exposition oder das Nichtoffenlegen der HIV-Infektion bestrafen,
  • einvernehmliche Sexualität zwischen Erwachsenen (einschließlich gleichgeschlechtlicher Kontakte und freiwilliger Sexarbeit) zu entkriminalisieren,
  • Drogenkonsumenten Zugang zu wirksamer HIV-Prävention und Gesundheitsversorgung zu gewährleisten (einschließlich Schadenminimierungsprogrammen und wissenschaftlich basierten Behandlungsmethoden bei Drogenabhängigkeit) und
  • effektive Bestimmungen für den Schutz geistigen Eigentums zu erarbeiten, die den Zugang zu lebensrettenden Medikamenten ermöglichen.

(hs/howi)

 

Weitere Informationen:

Die Deutsche AIDS-Hilfe dokumentiert den Bericht der Globalen Kommission auf Englisch und auf Deutsch (siehe Dateianhänge).

Die Seite der Kommission im Internet

Nick Rhoades über seine Verurteilung wegen „HIV-Übertragung“ (Video) - Nick Rhoades wurde in Iowa zu 25 Jahren Haft verurteilt, weil er seinem Sexpartner nicht erzählt hatte, dass er HIV-positiv ist. Zum Zeitpunkt der „Tat“ war seine Viruslast unter der Nachweisgrenze, sodass er nicht ansteckend war, und er benutzte zusätzlich ein Kondom! Erst auf internationalen Druck kam Rhoades nach 13 Monaten auf Bewährung frei, bleibt aber als „Sexualstraftäter“ registriert.