Arbeit gegen Diskriminierung – wir sind dabei!

Im Dezember 2016 rief die DAH-Kontaktstelle für HIV-bedingte Diskriminierung einen Facharbeitskreis ins Leben. Hintergrund war, die Auseinandersetzung mit einer gegenläufigen Entwicklung zu befördern: Einerseits ist es eine Art gesellschaftlicher Kodex geworden, die Diskriminierung von Menschen – sei es aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Herkunft, Hautfarbe, Religion, sexuellen Identität oder körperlichen Einschränkungen – abzulehnen. Ihren stärksten Ausdruck findet diese Haltung im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) von 2006, das eine klare rechtliche Handhabe im Diskriminierungsfall bietet. Auf der anderen Seite hatte das Projekt „positive stimmen“ belegt, dass Menschen mit HIV nach wie vor Diskriminierung und Ausgrenzung erfahren – in der eigenen Familie und im Freundeskreis, vor allem aber im Gesundheitswesen und Erwerbsleben. Diese Erfahrungen haben tiefe Auswirkungen auf die psychische und physische Gesundheit.

Im Facharbeitskreis Antidiskriminierungsarbeit sind kleine ländliche Aidshilfen ebenso vertreten wie die großen aus Ballungsräumen und die Selbsthilfe. Die Gruppe ist mit zwölf Menschen an den Start und gegangen und hat sehr schnell festgestellt, dass die Antidiskriminierungsarbeit von Aidshilfe zu wenig wahrgenommen wird und sehr viel mehr Potenzial entfalten kann – und dafür sind gemeinsame Qualitätsstandards hilfreich. Deren Entwicklung hat sich der Facharbeitskreis gleich als erste Aufgabe gesetzt.

Aidshilfe setzt sich seit Jahrzehnten gegen die Diskriminierung von Menschen mit HIV und von allen Gruppen mit höherem HIV-Risiko ein, zu denen schwule Männer ebenso gehören wie Drogengebraucher_innen, Sexarbeiter_innen, Migrant_innen aus bestimmten Regionen oder trans-Personen. Das ist der Kern des Konzepts der strukturellen Prävention, und deshalb verstehen sich Aidshilfen als Anlaufstelle für Menschen, die in diesem Zusammenhang diskriminiert werden.

Und doch, sagt Alexandra Frings aus dem Facharbeitskreis, wüssten viele Menschen, die gerade in der Zahnklinik abgewiesen wurden oder bei ihrem neuen Arbeitgeber einen HIV-Test machen sollen, nicht, dass sie sich an die Aidshilfe wenden können. „Viele Aidshilfen weisen in ihrer Außendarstellung – also in der Regel auf ihrer Homepage – auf ihre Beratungsangebote zu HIV, STI oder sozialrechtlichen Fragen hin, aber nicht auf ihre Unterstützung im Diskriminierungsfall. Das erscheint vielleicht manchen als zu selbstverständlich, aber dadurch kommen Informationen auch nicht an.“ Hinzu komme, dass nicht alle Aidshilfe-Mitarbeiter_innen fit in Bezug auf die rechtlichen Möglichkeiten sein könnten, die das AGG bietet. Antidiskriminierungsarbeit richte sich außerdem auch an diejenigen, von denen Diskriminierung potenziell ausgeht – z.B. Pflege- und medizinisches Personal, Arbeitgeber_innen oder Mitarbeit_innen in Jobcentern. Viele Aidshilfen unterschätzten hier noch die Chance, sich neue Arbeitsfelder zu erschließen und ihr Profil als die kompetente Fachstelle zu schärfen.

Die Standards, die der Facharbeitskreis vorschlägt und die im Anhang beigefügt sind, untergliedern sich in die Rahmenbedingungen vor Ort, Fortbildung und Fachkompetenz, Beratungshaltung, Vernetzung von Aids- und Selbsthilfe sowie mit anderen Organisationen in der Antidiskriminierungsarbeit und die Verortung von Antidiskriminierungsarbeit als Querschnittaufgabe der DAH. Sie sehen u.a. vor, dass

  • ein_e Berater_in sich zu den Grundlagen des AGG fortbildet und alle zwei Jahre Fortbildungen zur Antidiskriminierungsarbeit besucht; dabei ist es auch möglich, dass mehrere Aidshilfen eine Person als Expert_in in der Region zu benennen
  • die Interessen der ratsuchenden Person ernst zu nehmen und ihre persönlichen Grenzen zu respektieren sind; hier geht es z.B. um die Scheu von Patient_innen, Schritte gegen eine Klinik einzuleiten, auf die sie weiter angewiesen sind
  • die partizipative Zusammenarbeit mit der Community gesucht wird und Runde Tische von Aids- und Selbsthilfe eingerichtet werden; Community-Vertreter_innen haben einen anderen Blick für Diskriminierungstendenzen in der eigenen Einrichtung – etwa wenn die Satzung von der Unterstützung von Menschen spricht, „die im Verdacht stehen, HIV-infiziert zu sein“ oder wenn trans-Personen keine Erwähnung finden und sich nicht eingeladen fühlen.

„Sicher braucht es immer erstmal Offenheit und Energie, sich auf solche Standards einzulassen“, sagt Kerstin Mörsch von der Kontaktstelle für HIV-bedingte Diskriminierung. „Die Mühe lohnt sich aber, wenn am Ende die eigenen Kompetenzen besser nach außen sichtbar sind und wir uns in der Beratung sicherer fühlen.“

Die Standards wurden im November auf der MV in Mannheim vorgestellt und sollen jetzt ein Jahr lang in den Praxistest gehen. Alle Aidshilfen sind aufgerufen, ihre Erfahrungen mit den Standards auf diesem Online-Fragebogen oder an regionale Ansprechpartner_innen (siehe unten) zurückzumelden. Anfang November 2018 sollen sie auf dem Fachtag zur Antidiskriminierungsarbeit ausgewertet und auf der daran anschließenden MV zur Abstimmung gestellt werden.

Regionale Ansprechpartner_innen:

Für den Norden:

Gabi Drisga, Wismar; E-Mail: drisga@wismar.aidshilfe.de
Christoph Sitole, Hannover; E-Mail:  c.sitole@hannover.aidshilfe.de

Für den Süden:

Ralph Muckmall, Freiburg; E-Mail: ralph-mackmull@aids-hilfe-freiburg.de
Nico Erhardt, München; E-Mail:  nico.erhardt@muenchner-aidshilfe.de

Für den Osten:

Martin Thiele, Halle; E-Mail: martin.thiele@halle.aidshilfe.de
Maarten Bedert, Halle; E-Mail:: maarten.bedert@halle.aidshilfe.de

Für den Westen:

Alexandra Frings, Aaachen; E-Mail: alexandra.frings@aidshilfe-aachen.de

Für Berlin und „alles andere“:

Kerstin Mörsch, E-Mail: kerstin.moersch@dah.aidshilfe.de