Corona-Krise: Sexarbeit wieder zulassen

Sexarbeit muss bei Lockerungen genauso behandelt werden wie andere körpernahe Dienstleistungen. Es gilt der Gleichheitsgrundsatz: Moralische Bewertungen dürfen keine Rolle spielen. Sexarbeit muss daher ab sofort wieder erlaubt sein. Hygienekonzepte liegen vor.

Sexarbeit ist durch die Corona-Verordnungen der Länder fast überall in Deutschland verboten. Seit Mitte März sind Prostitutionsbetriebe geschlossen. Während körpernahe Dienstleistungen in anderen Bereichen Schritt für Schritt wieder erlaubt worden sind, gibt es im Bereich der Sexarbeit bisher keine Lockerungen.

Damit sind Sexarbeiter_innen ohne Einkommen, teilweise auch ohne Unterkunft. Viele Menschen sind gezwungen, unter gefährlichen Bedingungen im Verborgenen weiter zu arbeiten. Ohnehin prekäre oder bedrohliche Lebens- und Arbeitsbedingungen haben sich verschärft.

Menschen, die sexuelle Dienstleistungen in Anspruch nehmen möchten, bleiben diese verwehrt. Für viele bedeutet dies eine massive Einschränkung ihrer Sexualität.

Sexarbeit muss wieder möglich sein

Die Deutsche Aidshilfe setzt sich dafür ein, Sexarbeit ab sofort wieder zuzulassen. Sie unterstützt die Verbände der Sexarbeiter_innen und Aktivist_innen in ihrer Forderung nach gleichberechtigter Behandlung.

Sexarbeit darf nicht anders behandelt werden als andere körpernahe Dienstleistungen. Sexarbeiter_innen müssen unter Wahrung geeigneter Hygiene-Regeln ebenso arbeiten dürfen wie zum Beispiel Friseur_innen, Masseur_innen oder Kosmetiker_innen.

Deutschland muss umgehend dem positiven Beispiel seiner Nachbarländer Belgien, Niederlande, Österreich, Schweiz, Tschechien folgen.

Es gilt der Gleichheitsgrundsatz

Es gilt der Gleichheitsgrundsatz: Sexuelle Dienstleistungen anders einzustufen als andere körpernahe Dienstleistungen ist Diskriminierung.

Niemand hat zu bewerten, ob eine sexuelle Dienstleistung weniger wichtig ist als zum Beispiel ein Friseurbesuch. Moralische Einschätzungen haben hier nichts verloren.

Sexuelle Dienstleistungen anzubieten ist Teil der Berufsfreiheit, ist also durch ein Grundrecht geschützt.

Sexuelle Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, entspricht, sofern es sich um ein einvernehmliches Geschäft zwischen Erwachsenen handelt, dem Recht auf sexuelle Selbstbestimmung.

Diese Rechte dürfen nicht ohne Not eingeschränkt werden. Vor allem aber darf hier nicht mit einem anderen Maßstab gemessen werden als bei anderen beruflichen Tätigkeiten beziehungsweise Dienstleistungen.

Hygiene und Infektionsschutz

Entsprechende Hygienekonzepte haben der Bundesverband erotische und sexuelle Dienstleitungen (BesD) und der Bundesverband sexuelle Dienstleistungen (BSD) vorgelegt. Die Schutzwirkung ergibt sich dabei im Wesentlichen aus einem Dreiklang von Maßnahmen: Maskenpflicht + eine Armlänge Abstand zwischen Gesichtern + Safer Sex.

Die Schutzmaßnahmen dienen dem Ziel, die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung stark zu reduzieren. Eine solche Verminderung von Risiken ist auch bei anderen körpernahen Dienstleistungen das Ziel. Hundertprozentige Sicherheit lässt sich zum Beispiel auch im Frisiersalon nicht herstellen.

Dabei gilt es zu bedenken: Wie alle Anbieter_innen körpernaher Dienstleistungen sind Sexarbeiter_innen erfahrende Profis für Infektionsschutz. Ihre Gesundheit zu schützen gehört seit jeher zu ihrem Job.

Verdrängung in die Unsicherheit

Das derzeitige Tätigkeitsverbot für Sexarbeiter_innen sorgt nicht für mehr Sicherheit, sondern gefährdet deren Schutz vor Infektionen und Gewalt. Denn Sexualität lässt sich nicht verbieten. Sexarbeit findet weiter statt, nun aber im Verborgenen. Dort greifen eingespielte Sicherheitsvorkehrungen nicht mehr, etwa Notrufsysteme und die Möglichkeit aufeinander aufzupassen, wie sie in professionellen Bordellen gegeben ist. Auch der Austausch von Informationen in Netzwerken, ein wichtiger Weg der Prävention, ist unterbrochen.

Die Notsituation schwächt die Position der Sexarbeiter_innen auch in Verhandlungen mit ihren Kund_innen: Sie müssen ihr Überleben sichern. Dumpingpreise können ebenso die Folge sein wie der notgedrungene Verzicht auf Safer Sex.

Wo Sexarbeit ins Verborgene verdrängt wird, ist es zudem schwierig bis unmöglich, Angebote zu Hilfe und Beratung zu unterbreiten und Prävention zu betreiben.

Sexarbeit offiziell wieder zuzulassen bedeutet hingegen, dass sie wieder in einem sicheren Rahmen stattfinden kann, in dem klare Regeln zum Infektionsschutz bestehen. Sexarbeiter_innen haben ein Recht darauf, ihre Tätigkeit unter sicheren Arbeitsbedingungen ausführen zu können.

Generell gilt: Nirgendwo findet Sex mit so strengen Sicherheitsmaßnahmen und Regeln zum Infektionsschutz statt wie in legalen Prostitutionsbetrieben.

Stigmatisierung und Propaganda entgegentreten

Befürworter_innen eines allgemeinen Sexkaufverbots haben die Corona-Pandemie ausgenutzt, um ihr Anliegen voranzutreiben. Sie haben die Mär von Sexarbeiter_innen als „Superspreader“ in die Welt gesetzt.

Damit diffamieren und stigmatisieren sie genau die Menschen, die sie angeblich schützen wollen.

Solchen ideologischen Angriffen gilt es entgegenzutreten. Sie sind fachlich falsch, kontraproduktiv und verschleiern ihre eigentliche Absicht, ein Sexkaufverbot durch die Hintertür zu erwirken.

Die aktuelle Verdrängung von Sexarbeit in die Illegalität aufgrund von Corona-Verordnungen zeigt bereits deutlich, wie schädlich die Folgen eines allgemeinen Sexkaufverbots wären.

Fazit

Das faktische Verbot von Sexarbeit bedeutet eine Einschränkung von Grundrechten, im Vergleich mit anderen Dienstleister_innen wird mit zweierlei Maß gemessen. Die Schäden, die durch die Illegalisierung von Sexarbeit entstehen, wachsen täglich. Darum gilt: Sexarbeit muss so schnell wie möglich wieder zulässig sein.

Bis Sexarbeiter_innen wieder arbeiten dürfen und Geld verdienen können wie vor der Pandemie, benötigen sie dringend staatliche Unterstützung. Die Deutsche Aidshilfe setzt sich gemeinsam mit anderen Organisationen in einem Appell für Soforthilfemaßnahmen ein.

Darüber hinaus illustriert die Corona-Pandemie sehr deutlich: Nicht Verbote stärken bei der Sexarbeit Sicherheit und Infektionsschutz, sondern Aufklärung, eine Verbesserung des Arbeitsschutzes sowie Unterstützungsangebote.

 

Weitere Informationen:

Hygienekonzept des Berufsverbandes erotische und sexuelle Dienstleistungen (BeSD)