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Sollte durch einen Arbeitsunfall doch einmal ein Übertragungsrisiko für eine Infektionskrankheit bestehen, z. B. durch eine Stich- oder Schnittverletzung mit einem kontaminierten Instrument, sind Sofortmaßnahmen zu ergreifen, die das Infektionsrisiko minimieren. Dies gilt nicht nur für eine mögliche Übertragung von HIV, sondern auch von anderen per Blut übertragbaren Krankheitserregern wie Hepatitis-B- oder Hepatitis-C-Virus (HBV/HCV).

Sofortmaßnahmen nach möglicher Exposition

  • Kontamination nicht intakter Haut: gründlich mit Wasser spülen, danach mit satt in Hautantiseptikum getränktem Tupfer großzügig desinfizieren
  • Kontamination der Lippen/Mundhöhle: Material ausspucken, zuerst mehrmals mit Wasser, dann kurz mit Chlorhexidin oder Octenidin spülen
  • Kontamination des Auges: mit reichlich Wasser spülen
  • Stich/Schnittverletzung: Blutfluss nicht unterbinden, nicht manipulieren. Mit Händedesinfektionsmittel spülen.

Kein Risiko einer HIV-Übertragung besteht, wenn die Viruslast durch eine antiretrovirale Therapie stabil unter der Nachweisgrenze liegt. HIV-Patient*innen sind meist gut über die Viruslast informiert, da sie regelmäßig kontrolliert wird.

Der_die Betriebs- oder Durchgangsärzt*in berät zum weiteren Vorgehen – zum Beispiel dazu, ob eine HIV-Post-Expositions-Prophylaxe (PEP, siehe unten) zu empfehlen ist – und bezüglich weiterer Maßnahmen wie Schutzimpfungen (Tetanus- und HBV-Impfschutz, ggf. weitere) oder serologischer Untersuchungen (Antikörper gegen HIV und HCV, ggf. weitere).

HIV-Post-Expositions-Prophylaxe (PEP)

Nach einer (mutmaßlichen) beruflichen HIV-Exposition kann eine rechtzeitig begonnene HIV-PEP (eine vierwöchige Behandlung mit bestimmten HIV-Medikamenten) eine Infektion in vielen Fällen verhindern. Wichtig ist, möglichst schnell damit zu beginnen – nach Möglichkeit innerhalb von 24 Stunden, besser noch innerhalb von zwei Stunden. Es ist ein D-Arzt-Verfahren durchzuführen. Bei mehr als 72 Stunden zwischen Exposition und möglichem Prophylaxebeginn kann nach derzeitigem Kenntnisstand eine Prophylaxe nicht mehr empfohlen werden.

Bei bekannter, wahrscheinlicher oder möglicher Schwangerschaft sowie für Stillende gelten zum Schutz des Embryos bzw. Neugeborenen besondere Medikamenten-Empfehlungen.

Für die Frage, ob eine HIV-PEP empfohlen oder angeboten wird, sind die Viruslast der HIV-infizierten Person (Indexperson) und die Art der Verletzung bzw. Kontamination entscheidend. Zur Abklärung einer möglichen HIV-Medikamentenresistenz sollte zudem gefragt werden, ob die Indexperson mit antiretroviralen Medikamenten behandelt wird und wenn ja, mit welchen.

Die folgende Tabelle gibt an, in welchen Situationen laut „Deutsch-Österreichischer Leitlinie zur medikamentösen Postexpositionsprophylaxe nach HIV-Exposition“1 eine HIV-PEP empfohlen wird, angeboten werden soll oder nicht indiziert ist:

ExpositionsereignisViruslast >50 Kopien/ml oder unbekanntViruslast >50 Kopien/ml
(Blutende) perkutane Stichverletzung
mit Injektions- oder anderer Hohlraumnadel; Schnittverletzung mit kontaminiertem Skalpell, Messer oder Ähnlichem
PEP wird empfohlenPEP soll angeboten werden
Oberflächliche Verletzung (z. B. mit chirurgischer Nadel) ohne Blutfluss

Kontakt von Schleimhaut oder verletzter/geschädigter Haut mit Blut, BAL (Bronchoalveoläre Lavage) Spritzer ins Auge
PEP soll angeboten werdenPEP ist nicht indiziert
Perkutaner Kontakt mit anderen Körperflüssigkeiten als Blut (wie Urin oder Speichel)

Kontakt von intakter Haut mit Blut

Haut- oder Schleimhautkontakt mit Körperflüssigkeiten wie Urin und Speichel
PEP ist nicht indiziertPEP ist nicht indiziert

Adressen von Stellen, in denen rund um die Uhr eine HIV-PEP begonnen werden kann, finden sich auf der Seite kompass.hiv der Deutschen Aidshilfe.