Gedenktag 21.7.: Viele Drogentote könnten noch leben

In mehr als 90 Städten wird morgen zum 25. Mal der „Gedenktag für verstorbene Drogengebraucher*innen“ begangen. Nur eine neue Drogenpolitik kann weitere Todesfälle verhindern.

1.826 Menschen starben 2021 im Zusammenhang mit ihrem Drogenkonsum – die höchste Zahl seit 20 Jahren. Sage und schreibe 34.000 Menschen verloren ihr Leben, seit der Gedenktag für verstorbene Drogengebraucher*innen am 21. Juli 1998 erstmals begangen wurde. In Deutschland finden nun am 25. Gedenktag unter Schirmherrschaft des Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Burkhard Blienert (SPD), mehr als 90 Gedenkveranstaltungen statt. Eine zentrale Botschaft: Viele der Toten könnten noch leben.

Gedenken ernst nehmen heißt Leben retten

Wissenschaftler*innen und Fachleute aus der Prävention mahnen: Zu den vielfältigen Gründen für „drogenbedingte“ Todesfälle zählen vor allem verunreinigte Substanzen vom Schwarzmarkt, zu wenige Möglichkeiten, beim Konsum Gesundheit und Leben zu schützen, ständige Strafverfolgung und Inhaftierung, oft ein Leben auf der Straße und am Rande der Gesellschaft.

Die Prohibition, also ein Totalverbot des Erwerbs und Besitzes von Substanzen, hat zudem ihr Ziel verfehlt. Noch nie waren so viele verschiedene Drogen von unbekannter Qualität so preiswert und leicht erhältlich wie heute. Und: Noch immer werden wissenschaftlich evaluierte Maßnahmen zum Schutz von Leben und Gesundheit aus ideologischen Gründen zurückgehalten.

 „Viele der Toten hat eine verfehlte Drogenpolitik das Leben gekostet. Wer das Gedenken an die Verstorbenen ernst nimmt, muss alles dafür tun, dass in Zukunft mehr Menschen überleben. Wir brauchen jetzt endlich den Start in eine neue Drogenpolitik mit einer kontrollierten Abgabe von Substanzen und dem vollen Spektrum der Risikominimierung sowie eine solide finanzierte Drogenhilfe vor Ort“, sagt Sven Warminsky vom Vorstand der Deutschen Aidshilfe (DAH).

Straffreiheit und regulierte Abgabe

Die Bundesregierung hat neue Wege in der Drogenpolitik angekündigt. Die legale – und damit kontrollierbare – Abgabe von Cannabis an Erwachsene ist ein wichtiger erster Schritt, um dem Schwarzmarkt den Nährboden zu entziehen, Konsument*innen zu schützen und Hilfsangebote zu machen. Folgen muss zunächst die Entkriminalisierung von Erwerb und Besitz von anderen Drogen zum Eigenbedarf.

„Wenn Konsumierende Drogen kaufen oder besitzen, dürfen sie nicht weiter bestraft werden. Die Kriminalisierung zwingt Menschen förmlich in die oft zitierte Abwärtsspirale, aus der sie sich irgendwann nicht mehr befreien können“, sagt DAH-Vorstand Sven Warminsky. „Wer glaubt bitte noch ernsthaft, dass Verfolgung und Gefängnisaufenthalte Menschen dazu bringen, sich vom Drogenkonsum zu lösen?“

Das Ziel muss schließlich eine kontrollierte Abgabe auch von Heroin, Kokain und Amphetaminen an Erwachsene sein – in jeweils geeigneter Form. Diese Maßnahmen werden den Drogenkonsum nicht sofort beseitigen, aber sie schützen Konsument*innen und können der organisierten Kriminalität und dem Schwarzmarkt mit seinen lebensbedrohlichen Folgen wirkungsvoll die Stirn bieten.

Schäden und Risiken minimieren

Angebote der Schadensminderung wie Drug Checking und Drogenkonsumräume müssen sofort deutlich ausgeweitet werden. Drug Checking – die Prüfung von Drogen auf Reinheitsgehalt und Wirkstoffe – steht zwar im Koalitionsvertrag, ist aber noch immer auf wenige Modellprojekte beschränkt. Und Drogenkonsumräume, die nachweislich Leben retten und HIV- sowie HCV- Infektionen verhindern, gibt es nur in der Hälfte der Bundesländer.

Auch bei der Substitutionstherapie ist noch viel Luft nach oben: „50 Prozent Behandlungsquote bei Heroinkonsument*innen ist einfach nicht genug. Bund, Ländern und Kommunen können viel dafür tun, dass mehr Menschen diese Standardtherapie erhalten“, sagt Dirk Schäffer, Referent für Drogen und Strafvollzug der Deutschen Aidshilfe.

Unterfinanzierte Drogenhilfe vor Ort

Hinzu kommt: Die Drogenhilfe vor Ort ist oft drastisch unterfinanziert. Steigende Konsument*innenzahlen und neue psychoaktive Substanzen erfordern mehr und differenziertere Angebote, auch HIV- und Hepatitis-Testangebote müssen ausgeweitet werden. Derweil sind viele Einrichtungen gezwungen, anstelle von ausgebildetem Fachpersonal studentische Mitarbeiter*innen einzusetzen.

Fazit nach 25 Jahren

Der 25. Gedenktag wird das Thema so breit in die Öffentlichkeit tragen wie nie zuvor. Mehr als 400 Organisationen und Einrichtungen und unzählige Aktivist*innen senden ein unübersehbares Signal für Veränderung. Bei vielen der Gedenkveranstaltungen werden Menschenketten gebildet.

DAH-Drogenreferent Dirk Schäffer zieht Bilanz:

„Wir trauern um Zehntausende Menschen, noch viel mehr Familien und Freund*innen haben ihre Liebsten verloren. Abschreckung und Kriminalisierung sind auf ganzer Linie gescheitert. Es ist Zeit, Schluss mit dieser unnötigen Tragödie zu machen. Wir sind schon lange bereit zum Aufbruch, aber die Politik hat die Schlüsselrolle.“

Website des Gedenktages mit lokalen Terminen

Gedenkseite auf aidshilfe.de / Social-Media-Aktion #DuFehlst

Kampagne zur Entkriminalisierung der #MyBrainMyChoice-Initiative