Mit der Genschere zur Heilung?

Deutsche Wissenschaftler_innen sind in der HIV-Forschung einen großen Schritt vorangekommen: Eine sogenannte Genschere kann das Erbgut des Virus aus befallenen Zellen heraustrennen. Nun soll das gentechnische Verfahren erstmals an Menschen erprobt werden.

Das haben das Heinrich-Pette-Institut und die TU Dresden mitgeteilt, die gemeinsam an dem Projekt arbeiten.

Genschere entfernt HIV aus Zellen

An der Methode forschen die Wisschaftler_innen schon seit mehr als 10 Jahren. Nun aber ist ein Enzym einsatzbereit, das fast alle HIV-Varianten erkennt und entfernt, insbesondere den in Europa dominierenden Subtyp B.

Das künstlich erzeugte Enzym funktioniert bereits in Laborversuchen und bei Mäusen, denen man ein menschliches Immunsystem transplantiert hat. Nun soll die Rekombinase Brec1, so der wissenschaftliche Name, per Gentechnik in Stammzellen von Patient_innen eingebaut werden. Die veränderten Zellen werden dann wieder in den Körper injiziert. Die Idee: Alle Nachkommen dieser Zellen haben die Fähigkeit, sich von HIV zu befreien, in ihrem Erbgut, sozusagen „Selbstheilung serienmäßig“.

Dringt HIV in eine solche Zelle ein, wird automatisch die Genschere aktiviert, die das Erbmaterial des Virus aus der Gensequenz der Zelle gleich wieder herausschneidet. Die Zelle bleibt dabei intakt.

Wenn es gelingt, dass die präparierten Zellen sich im Körper vermehren und schließlich die Mehrheit der Immunzellen stellen, könnte das Immunsystem dauerhaft alleine mit HIV zurechtkommen, ohne die heute erforderliche lebenslange Einnahme von Medikamenten. In diesem Fall würde man von einer funktionellen Heilung sprechen.

Studien mit HIV-Patient_innen sollen beginnen

„Die bisher erzielten Ergebnisse stellen die Grundlage für erste klinische Studien zur Heilung von HIV-Patienten dar, die in absehbarer Zeit in Hamburg durchgeführt werden sollen“, sagt Professor Joachim Hauber, Abteilungsleiter am Heinrich-Pette-Institut. Man sei im Gespräch mit möglichen Investoren, erklärte Hauber Spiegel online.

Anders formuliert: Es fehlt noch Geld. 15 Millionen sind für die erste Phase der Erprobung am Menschen erforderlich.

In den anstehenden Studien mit realen HIV-Patient_innen sind entscheidende Fragen zu klären: Funktioniert die Methode auch beim Menschen? Kann man verhindern, dass der gentechnische Eingriff auch Schaden anrichtet? Und vor allem: Wie gelingt es, dass die veränderten Zellen im Körper die Mehrheit der Immunzellen stellen? 

Meilenstein in der Grundlagenforschung

Hinzu kommt: Körperzellen, die schon lange HIV-infiziert sind, können auf diesem Wege nicht vom Virus befreit werden. Für eine vollständige Heilung wären also weitere Maßnahmen notwendig. Man müsste die Genschere in diese Zellen hineintransportieren oder diese „Virus-Reservoire“, die viele Jahre im Körper überdauern können, mit anderen Mitteln entfernen. Für eine vollständige Heilung könnte man die Genschere eventuell eines Tages mit weiteren Methoden kombinieren. 

Das ist freilich noch Zukunftsmusik. Sicher ist: „Die Genschere ist ein Meilenstein in der Grundlagenforschung“, sagt Armin Schafberger, Medizinreferent der Deutschen AIDS-Hilfe. „Sie könnte eines Tages ein wichtiger Baustein der HIV-Therapie und der Heilung werden. Bis zur regulären Anwendung wird es aber noch viele Jahre dauern. Ob eine Heilung in absehbarer Zeit wirklich gelingt, können wir heute nicht prognostizieren.“

Die Genschere ist der erste gentherapeutische Ansatz zur Heilung der HIV-Infektion aus Deutschland. Mittlerweile gibt es mehrere vielversprechende Vorgehensweisen, die eines Tages zur Heilung der HIV-Infektion beitragen könnten.

Finanzierung noch nicht gesichert

„Diese erfolgsversprechende Methode muss jetzt mit aller Kraft weiterentwickelt werden, auch mit öffentlichen Forschungsmitteln“, betont Medizinreferent Armin Schafberger.

Holger Wicht

(Ergänzt am 25.2.2016)

Pressemitteilung des Heinrich-Pette-Instituts

Wissenschaftliche Veröffentlichung in der Fachzeitschrift „Nature Biotechnology“