Was macht eigentlich … der „HIV-Geheilte“?

Nach einer Stammzelltransplantation gegen Leukämie ist HIV bei einem infizierten Patienten nicht mehr nachweisbar – ein Hoffnungsschimmer, aber kein Durchbruch

2008 meldeten die Medien eine kleine Sensation: Ein HIV-positiver Amerikaner hatte wegen seiner schweren Leukämie in der Berliner Charité Stammzellen transplantiert bekommen. Zellen mit einer Genausstattung, die vor einer Ansteckung mit HIV schützt. Die Idee dazu hatte Gero Hütter, der sich mit seinem Team auf die Suche machte und unter über 200 potenziellen Spendern einen mit der vor HIV schützenden Genausstattung fand. Die Transplantation klappte – und nach einiger Zeit war bei dem Patienten HIV nicht mehr nachweisbar.

Auf der Welt-Aids-Konferenz in Wien (18.–23. Juli 2010) berichteten Hütter und seine Kollegen nun über den weiteren Verlauf: Nach 332 Tagen hatte der Patient einen Leukämierückfall und bekam eine zweite Stammzelltransplantation. HIV aber lässt sich bis heute im Blut und im Knochenmark nicht mehr nachweisen. Die Forscher halten es sogar für möglich, dass die Transplantationen zu einer Heilung, also zur vollständigen Entfernung des Virus aus dem Körper (Eradikation) geführt haben.

Gute Nachricht – aber ein Einzelfall

Hintergrund: Etwa 1 % der Bevölkerung in Europa hat eine Genvariante für den sogenannten CCR5-Rezeptor. Dies ist eine Stelle auf der Oberfläche menschlicher Zellen, welche die meisten HIV-Varianten zum „Andocken“ an die Zellen brauchen. Ist der Rezeptor „defekt“, können die Viren nicht in die Zellen eindringen – und sich nicht vermehren.

Die Zahl „1 %“ zeigt zugleich: Es ist schwer, passende Spender zu finden. Der Amerikaner hatte einfach Glück. Im letzten Jahr bekam Hütter acht Anfragen von leukämiekranken HIV-Patienten nach Spendern mit dieser defekten, schützenden CCR5-Genvariante. Die Arbeitsgruppe konnte auch 117 potenzielle Spender finden, aber leider „passte“ keiner von ihnen.

Risiken und Nebenwirkungen

Hinzu kommt: Eine Stammzelltransplantation bei schwerer Leukämie hat viele Risiken und Nebenwirkungen: Vor der Übertragung von Spenderzellen wird das Immunsystem des Patienten durch eine Chemotherapie und Ganzkörperbestrahlung „ausgelöscht“, um eine Abstoßungsreaktion zu verhindert. In dieser Phase ist der Patient stark durch Infekte gefährdet – die Sterblichkeit liegt bei ca. 10-30%. Und häufig führt eine Ganzkörperbestrahlung zu dauerhaften körperlichen und manchmal auch geistigen Einschränkungen.

Fazit

Das Verfahren ist nicht allgemein auf andere HIV-Positive übertragbar. Dazu ist die Therapie zu gefährlich und nebenwirkungsreich. Aber in der Charité scheint die erste Heilung eines HIV-Patienten gelungen zu sein.

(Armin Schafberger)

Literatur/Quellen

  1. http://www.dw-world.de/dw/article/0,,3789595,00.html
  2. Hütter et al.: Treatment of HIV-Infection by Allogenic CCR5Δ32/ Δ32 Stem Cell Transplantation. Retroviruskonferenz 2008, Poster 719
  3. Allers et al.: A 3 Years follow up of long term control of HIV-1 after allogeneic CCR5-delta32 stem cell transplantation. 2010, Welt-AIDS-Konferenz, TUPE0028
  4. http://www.contentnejmorg.zuom.info/cgi/content/full/360/7/692
  5. http://www.zeit.de/2010/29/M-HIV-Patient