Rechte von Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern stärken!

Die Deutsche AIDS-Hilfe (DAH) lehnt den von der „Emma“-Herausgeberin initiierten „Appell gegen Prostitution“ und Rufe nach Bestrafung der Kunden und Kundinnen ab.

Die Absenderinnen und Absender vermengten auf unzulässige Weise Sexarbeit und Menschenhandel und blendeten die negativen Folgen aus, die eine Ächtung oder Kriminalisierung der Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter oder ihrer Kundinnen und Kunden für die Prävention von HIV und anderen sexuell übertragbaren Infektionen hätte, heißt es in einer Stellungnahme der DAH.

Grundvoraussetzung für eine konstruktive Diskussion zum Thema Prostitution sei aber eine strikte und klare Trennung zwischen Menschenhandel und Sexarbeit. Für Menschenhandel, sexuelle Ausbeutung und Vergewaltigung gelte in der Sexarbeit sowie in jedem anderen gesellschaftlichen Zusammenhang das Strafrecht. Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter dagegen entschieden sich selbstbestimmt für ihre Tätigkeit und seien selbst dann, wenn sie in prekären Situationen lebten, handelnde Subjekte und nicht gehandelte Objekte.

„Verbote und Kriminalisierung haben noch nie dazu geführt, dass es keine Sexarbeit mehr gibt. Die Erfahrungen aus der Präventionsarbeit zeigen aber, dass das Geschäft durch Verbote in einen gefährlichen Dunkelbereich gedrängt wird“, heißt es in der Stellungnahme weiter. Das sei mit hohen Risiken sowohl für die Sexarbeiterinnen und -arbeiter als auch für die Kunden und Kundinnen verbunden: Wer kriminalisiert werde, sei nicht mehr für die Prävention erreichbar, geschweige denn daran beteiligt, meide den Kontakt mit staatlichen Institutionen und nichtstaatlichen Beratungsstellen, nehme Testangebote nicht wahr, könne kaum noch auskömmliche Preise und die Einhaltung der Safer-Sex-Regel durchsetzen und sei Gewaltübergriffen ausgesetzt.

„Die Kriminalisierung mag der sexuellen Moralpanik einer gesellschaftlichen Elite entgegenkommen, weil Prostitution dann weniger sichtbar ist. Verschwinden wird sie dadurch nicht!“, sagt DAH-Vorstand Manuel Izdebski. „Auch in Schweden hat sich die Kriminalisierung der Freier, also die Reduzierung der Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter auf ‚Opfer‘ und ihrer Kunden und Kundinnen auf ‚Täter‘, als kontraproduktiv erwiesen. Prostitution ist zwar auf der Straße nicht mehr sichtbar, findet aber weiterhin im gleichen Ausmaß im Untergrund statt – unter deutlich schlechteren Arbeitsbedingungen und mit erhöhten Gefahren für beide Seiten“, so Izdebski weiter. „Hier wird nicht nur das Recht der Freier, sondern auch das der Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter auf Selbstbestimmung beschnitten. Wer eine sexuelle Dienstleistung in Anspruch nimmt, die auf Freiwilligkeit beruht, tut nichts Verbotenes. Und das sollte auch so bleiben!“

Erforderlich sei aus Sicht der Deutschen AIDS-Hilfe, die rechtlichen und strukturellen Bedingungen zu verbessern, unter denen Sexarbeit stattfindet, und für gesellschaftliche Akzeptanz der Sexarbeiterinnen und -arbeiter einzutreten. Das Prostitutionsgesetz müsse daher konsequent umgesetzt und sinnvoll weiterentwickelt werden. Unverzichtbar sei dabei, die Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter an allen Diskussion und Entscheidungen zu beteiligen, die sich mit dem Thema Prostitution befassen.

Die Deutsche AIDS-Hilfe ruft dazu auf, auf www.sexwork-deutschland.de den „Appell für Prostitution – für die Stärkung der Rechte und für die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen von Menschen in der Sexarbeit“ zu unterzeichnen.

(hs)

 

Hintergrund:

Die Zeitschrift „Emma“ fordert in einem von 90 prominenten Erstunterzeichnerinnen und -unterzeichnern und über 5.000 weiteren Personen unterstützten „Appell gegen Prostitution“ die „Abschaffung des Systems Prostitution“, die als „moderne Sklaverei“ bezeichnet wird, sowie die „Ächtung und, wenn nötig, auch Bestrafung der Freier“. Als Grund wird unter anderem der Schutz der Menschenwürde der als Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter tätigen Frauen und Männer genannt. Das 2002 verabschiedete Prostitutionsgesetz trägt laut „Emma“-Herausgeberin Alice Schwarzer die „Handschrift der Frauenhändler und ihrer Lobbyist_innen“, Deutschland sei seither zu „Europas Drehscheibe für Frauenhandel“ geworden.