Sexarbeiterinnen-Protest vor dem Bundestag

Mehr als 23.000 Opfer von Menschenhandel gibt es laut einem Bericht der EU-Kommissarin Cecilia Malmström derzeit in Europa, der überwiegende Teil von ihnen wird sexuell ausgebeutet.

Bis März 2013 hätte die Bundesregierung Richtlinien zur Bekämpfung und Verhütung des Menschenhandels umgesetzt haben müssen. Doch erst jetzt hat der „Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des Menschenhandels und Überwachung von Prostitutionsstätten“ die ersten Hürden im Kabinett genommen – und breite Kritik hervorgerufen.

Rund drei Dutzend Menschen, darunter Sexarbeiterinnen, Vertreterinnen der Deutschen AIDS-Hilfe und Mitglieder der Organisation „Sexwork in Deutschland“ nutzten die Sitzung des Bundestagsrechtsausschusses am Montag zum lautstarken Protest gegen den Gesetzentwurf.

Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung oder zur Ausbeutung der Arbeitskraft sei ein Straftatbestand, der nicht hingenommen werden dürfe, für dessen Bestrafung aber die bereits bestehenden Gesetze ausreichten, so „Sexwork in Deutschland“. Doch trotz des Ausmaßes von Menschenhandel gebe es kaum Verurteilungen. Statt ein Sondergesetz einzuführen, müsse die Sexarbeit endlich mit anderen Erwerbstätigkeiten gleichgestellt und die Branche entkriminalisiert werden.

„Mit diesem Gesetzvorhaben", kritisiert Tanja Gangarova, DAH-Referentin für Migration, „werden Sexarbeit und Menschenhandel in einen Topf geworfen, Sexarbeiter und Sexarbeiterinnen pauschal zu Opfern gemacht und ihre Arbeit noch mehr überwacht.“ Das Gesetzesvorhaben fördere Reglementierung und Repression, betont DAH-Frauenreferentin Marianne Rademacher. „Eine Rechtssicherheit für legal und selbstbestimmt arbeitende Sexarbeiterinnen wird damit verhindert. Sie sind damit auch schwerer erreichbar für HIV/STI-Prävention und andere gesundheitsfördernde Maßnahmen.“

Deutliche Einwände gibt es auch von anderen Seiten. „Der Gesetzentwurf sieht nur halbherzige Maßnahmen zur Bekämpfung von Menschenhandel vor. Er behandelt weder Opferschutz noch Opferrechte“, so Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik der Diakonie Deutschland. Opfer des Menschenhandels wagten daher nicht, gegen ihre Peiniger auszusagen, weil ihnen danach womöglich die Abschiebung drohe.  

Der Menschenhandel sei nicht über eine Strafbarkeit von Sexarbeit zu lösen, sagt Burkhard Lischka, rechtspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. „Was wir brauchen, ist ein wirksames Gesetz zur Bekämpfung des Menschenhandels.“ Zudem müsse die Strafverfolgung der von Menschenhandel Betroffenen verhindert werden. „Oft werden sie wegen Vergehen angeklagt, zu denen sie genötigt wurden, beispielsweise Verwendung falscher Ausweispapiere oder Verstöße gegen das Aufenthaltsrecht“, erklärt Lischka. Zugleich gelte es, das Bleiberecht für die Opfer von Menschenhandel von ihrer Mitwirkung am Strafverfahren abzukoppeln, wie dies beispielsweise in Italien und den USA bereits bewährte Praxis sei.

Nach derzeit geltendem Recht werden die Opfer abgeschoben, wenn die Täter nicht ermittelt werden können oder die Betroffenen aus Furcht nicht aussagen. Daran wird sich auch nichts ändern, wenn das neue Gesetz in der jetzigen Form verabschiedet werden sollte.

(sho)

 

Link zur aktuellen Fassung des Gesetzentwurfs

Meldung „Heute im Bundestag Nr. 354“ vom 25. Juni 2013:  Sachverständige lehnen Gesetzentwurf der Regierung zur Kontrolle der Prostitution ab