WHO: HIV-Prävention und -Versorgung für die, die sie am dringendsten brauchen!

Stigmatisierung, Diskriminierung und Kriminalisierung behindern die HIV- Prävention: Menschen aus den Gruppen mit dem höchsten Risiko haben den schlechtesten Zugang.

Darauf hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) am Freitag hingewiesen. „Das setzt den weiteren Fortschritt gegen die globale Epidemie aufs Spiel und gefährdet die Gesundheit und das Wohlergehen von Individuen, ihren Familien und Communities“, sagte Dr. Gottfried Hirschall, Chef der HIV-Abteilung der WHO.

In ihren überarbeiteten „Leitlinien zur HIV-Prävention, -Diagnose, -Behandlung und –Versorgung für Schlüsselgruppen“ empfiehlt die Organisation deshalb, juristische und soziale Hürden aus dem Weg zu räumen, die den Zugang zu diesen Angeboten behindern.

Als Schlüsselgruppen mit erhöhtem HIV-Risiko definiert die WHO Schwule und andere Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), Gefangene, intravenös Drogen Gebrauchende, Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter sowie Trans*-Menschen. Sie kämen in vielen nationalen HIV-Programmen aber nicht vor oder würden durch Stigmatisierung, Diskriminierung und Strafverfolgung am Zugang zur HIV-Prävention gehindert.

Zum ersten Mal empfiehlt die WHO Männern, die Sex mit Männern haben, „nachdrücklich“, über die vorbeugende Einnahme von HIV-Medikamenten zum Schutz vor einer Infektion (HIV-Prä-Expositions-Prophylaxe, kurz HIV-PrEP) nachzudenken – ergänzend zum Kondomgebrauch. Damit könne man Modellrechnungen zufolge die Zahl neuer HIV-Infektionen in dieser Gruppe um 20 bis 25 Prozent senken und so in den nächsten zehn Jahren bis zu einer Millionen Ansteckungen verhindern.

Silke Klumb, Geschäftsführerin der Deutschen AIDS-Hilfe (DAH), begrüßte die Leitlinien als politisches Signal, weltweit mehr für die am stärksten von HIV Bedrohten und Betroffenen zu tun und das Menschenrecht auf Gesundheit für alle durchzusetzen.

Die WHO-Empfehlung, die HIV-PrEP für Schwule und andere MSM anzubieten, sieht DAH-Medizinreferent Armin Schafberger denn auch vor allem als Aufruf, die Forschung für schwule Männer zu intensivieren. Momentan stehe noch keine praktikable PrEP zur Verfügung: „Einzig die tägliche Einnahme des HIV-Kombinationspräparats Truvada über viele Monate und Jahre ist erforscht und in den USA, aber nicht in Europa zugelassen.“

Doch selbst bei einer europäischen Zulassung wäre eine solche PrEP angesichts eines Monatspreises von deutlich über 800 Euro kaum anwendbar. Hinzu kommen laut Schafberger Probleme mit der „Therapietreue: „In den Studien hatten die meisten Teilnehmer Probleme, die PrEP zuverlässig einzunehmen. Wir brauchen also eine einfacher anwendbare PrEP. Eine Lösung könnte die Entwicklung einer Dreimonatsspritze sein, doch diese ist erst am Anfang der klinischen Entwicklung.“ Erforscht werde darüber hinaus auch die situationsbezogene PrEP, bei der man die Tabletten nur im Vorfeld möglicher Risiken einnimmt. Eine solche Studie wird zurzeit in Paris und Lyon durchgeführt und wahrscheinlich auch auf deutsche Großstädte erweitert.

„Die PrEP muss anwendbar und finanzierbar sein – dann kann sie das Präventionsinstrumentarium für schwule Männer bereichern und dazu beitragen, die Zahl der HIV-Infektionen in dieser Gruppe zu senken“, so Schafberger.

(hs)

 

Quellen/weitere Informationen

Pressemitteilung der WHO vom 11.7.2014 (in englischer Sprache)

WHO: Konsolidierte Leitlinien zur HIV-Prävention, -Diagnose, -Behandlung und –Versorgung für Schlüsselgruppen (PDF-Datei in englischer Sprache)

HIV-Medikamente zur Vorbeugung 2.0 (Beitrag im DAH-Blog vom 5.3.2014)