Warnung vor „Krokodil“: Gefährliche Droge verursacht schwere Schäden

Die Krisenhilfe Bochum und die Polizei warnen vor einer Droge mit gefährlichen Substanzen, die in kurzer Zeit zu schwersten körperlichen Schäden führen. Rauchen von Folie kann das Risiko senken.

Dr. Heinrich Elsner, Leiter der Methadonambulanz der Krisenhilfe Bochum, sprach von „riesigen, desaströsen Weichteilschäden“ bei vier intravenös Drogen Konsumierenden. Sie hätten nichts mit den sonst auftretenden Abszessen zu tun, sondern seien vermutlich auf eine unter dem Namen „Krokodil“ bekannte Droge zurückzuführen (kurz „Krok“). Die Substanz wird mit Hilfe von Phosphor, Ameisensäure, Benzin und Verdünner aus Kodeintabletten hergestellt, die in Russland frei verkäuflich sind. Die Chemikalien verursachen schwere, großflächige Gewebeschäden: Sie fressen sich buchstäblich durch Haut und Knochen. Im Extremfall wird die Amputation von Körperteilen notwendig, weitere mögliche Folgen sind Leberversagen und platzende Blutgefäße.

Bei den in Bochum bekannt gewordenen Fällen wurde vermutlich mit „Krok“ gestrecktes Heroin oder wie Heroin aussehendes, pulverförmiges „Krok“ gekauft. Drogenhilfe und Polizei suchen nun nach weiteren Konsumenten, um die Verkäufer der Droge zu finden.

Dr. Elsner rät Drogenkonsumenten aus dem Raum Bochum, Heroin derzeit möglichst von Folie zu rauchen: „Wenn der Stoff nach Chemikalien wie zum Beispiel Phosphor riecht – das kennt man von frisch entzündeten Streichhölzern –, sollte man auf jeden Fall die Finger davon lassen!“ Langfristig seien Gesundheitsschäden durch verunreinigtes Heroin aber nur durch den Aufbau eines flächendeckenden Netzes von Heroinambulanzen zu verhindern.

(hs)

 

Quelle/weitere Informationen

Meldung der Polizei Bochum vom 10.10.2011

Meldung auf Spiegel Online vom 11.10.2011

Bericht in der WDR Lokalzeit vom 11.10.2011 (aus der Mediathek; dieses Video ist aus rechtlichen Gründen nur begrenzte Zeit verfügbar)

Kommentare

Zu unserer Meldung erreichte uns folgender Kommentar von Dr. med. Robert Hämmig, dem Präsidenten der Schweizerischen Gesellschaft für Suchtmedizin SSAM (http://www.ssam.ch): „Krokodil“ frisst Löcher in den Verstand

Eigentlich wüssten wir: jedes Opioid mit Wirkung vom Morphintyp ist im Prinzip gleich
wie jedes andere zu beurteilen. Unterschiede gibt es in der Pharmakokinetik, der
Wirkdauer und Wirkstärke, aber in aequipotenten Dosen wirken alle schmerzstillend
und sind bei vulnerablen Individuen in der Lage Abhängigkeitssyndrome auszulösen.
Keine Substanz ist teuflischer als eine andere. In reiner Form eingenommen ist ihre
Einnahme mit relativ wenigen unerwünschten Wirkungen ohne weiteres vereinbar mit
einem geordneten bürgerlichen Leben.

Eigentlich wüssten wir: die Belegung einer Substanz mit Prohibition führt dazu, dass
jegliche Qualitätskontrolle in Bezug auf Reinheit und Dosis ausgeschlossen ist.
Eigentlich wüssten wir: in Bezug auf ihre bevorzugte Substanz zeigen Abhängige
ökonomisch gesehen eine „unflexible Nachfrage“. Wird der Zugang zum Produkt zu
stark beschränkt wie durch die Prohibition, wird auf ein Ersatzangebot ausgewichen.

Eigentlich wüssten wir: wo eine unflexible Nachfrage besteht, entsteht ein Angebot.
Wird das Angebot in die Illegalität verbannt, wird der Anbieter sich nicht um die
Qualität in Bezug auf chemische, bakterielle, fungale und virale Verunreinigungen
kümmern und versuchen möglichst billig zu produzieren (Beispiel das schon länger
bekannte „black tar“ Heroin in den USA). Die Risikoabwägung des Konsumenten
wird durch seine unflexible Nachfrage übersteuert. In dieser Situation nützen wohl
gemeinte Ermahnungen nichts.

Eigentlich wüssten wir: mit der allgemeinen „Boulevardisierung“ der Medien in den
letzten Jahren, gelten fundierte und gut recherchierte Inhalte wenig, was zählt sind
fette Schlagzeilen und süffige mit Superlativen gespickte Stories. Entsprechend ist
die Fachwelt gut beraten, in diesen Chor nicht einzustimmen.

Eigentlich wüssten wir: substitutionsgestützte Behandlungen sind gut evaluiert und
sehr geeignet, Abhängigkeitsproblemen mit Opioiden entgegenzuwirken. Restriktiver
Zugang zu solchen Behandlungen fördert die illegalen Märkte und die damit
verbundenen Probleme wie z.B. die Verbreitung von HIV und Abszessen.

Also: das aktive Wirkprinzip in der Droge „Krokodil“ ist Desomorphin, einfach ein
weiteres Opioid vom Morphintyp. Die beobachteten Schädigungen der Konsumenten
sind nicht Folge der Substanz, sondern sind Kollateralschäden der Prohibition. Bitte
wieder den Verstand einschalten! Verschärfte Prohibition ist sicher nicht die Lösung
des primär durch die Prohibition verursachten Problems.