Forscher entdecken wirksame Antikörper gegen HIV

Ein am 8. Juli veröffentlichter Artikel im Fachblatt Science macht Furore. Spiegel Online titelt "Schutz vor AIDS-Forscher entdecken hochwirksame Antikörper gegen HIV". Kann man sich bald impfen lassen? Gibt es in naher Zukunft eine Heilung?

Kurz und bündig: nein. Die Meldung verändert die Prävention und Therapie der HIV-Infektion zumindest für die nächsten Jahre nicht. Der Forschergruppe um Xueling Wu vom National Institute of Health in Bethesda, USA ist aber ein wichtiger Schritt in der Grundlagenforschung gelungen.

Jeder HIV-Infizierte produziert Antikörper - diese werden im HIV-Test nachgewiesen. Die meisten dieser Antikörper aber können das HIV-Virus nicht neutralisieren. Hinzu kommt, dass HIV ständig mutiert - also seine Struktur ändert - und so dem Angriff des Immunsystems immer wieder ausweicht. Das Immunsystem erschöpft schließlich über Jahre.

Es gibt aber auch Antikörper, die HIV neutralisieren können. Die Forscher um Wu haben nun gezielt nach solchen Antikörpern gesucht - und sie haben nach solchen gesucht, denen das HIV-Virus nicht so leicht "ausweichen" kann. Es gibt nämlich in der Struktur des Virus Stellen, die kaum veränderbar sind, z.B. eine Stelle, mit der das Virus an den CD4-Rezeptor der menschlichen Zelle andockt, bevor es in die Zelle eintritt. Man könnte diese Stelle mit dem Enterhaken eines Piratenschiffes vergleichen. Während Piratenschiffe sehr unterschiedlich aussehen können, um sich zu tarnen (als Frachter, Jacht, Fischerboot) und so dem Zugriff der Marine (dem Immunsystem) entgehen können, ist doch eine Stelle fast immer gleich: der Enterhaken.

Wu und Kollegen haben nun Antikörper von einem Patienten ("No. 45") isoliert, die sich auf diesen "Enterhaken" des Virus stürzen und über 90% aller Viren neutralisieren können. Sie haben es ferner geschafft, aus Abermillionen von Immunzellen (sog. B-Zellen) dieses Patienten einige wenige zu isolieren, die diese Antikörper produzieren.

Was ist damit erreicht? Bisher gibt es diese Erkenntnisse nur im Labor. Man müsste nun eine Impfung entwickeln, die beim Geimpften B-Zellen stimuliert, die genau diese Antikörper erzeugen. Das ist noch ein weiter Weg, denn von vielen durchgetesteten Patienten hat nur einer (No 45) solche Antikörper produziert. Ob dann diese Impfung wirklich vor einer Infektion schützt, müsste man in einem mehrjährigen Versuch mit tausenden von Impflingen testen. Bisher haben allerdings alle Versuche, eine Impfung zu entwickeln, versagt.

Vielleicht können die Erkenntnisse aber auch dazu dienen, Medikamente zu entwickeln, um die HIV-Infektion zu bekämpfen. Solche Medikamente auf Antikörperbasis sind z.B. in der Krebstherapie bereits im Einsatz. Allerdings: Bei Patient No 45 haben die Antikörper auch nicht dazu geführt, dass er die HIV-Viren "losgeworden" ist.

Armin Schafberger, DAH-Referent für Medizin und Gesundheitspolitik

Quelle: Wu et al. 2010 Rational Design of Envelope Identifies Broadly Neutralizing Human Monoklonal Antibodies to HIV-1. www.scienceexpress.org 8 July 2010