Frankreich: „Vorbereitung zum Todesurteil“ für 28.000 schwerkranke Migranten?
In Paris hat am 4. Mai 2011 ein Vermittlungsausschuss aus je sieben Abgeordneten und Senatoren für einen Gesetzentwurf gestimmt, der das aus medizinischen Gründen gewährte Aufenthaltsrecht stark einschränkt.
ACT UP Paris und die Aids-Organisation AIDES haben scharfe Kritik an dem Gesetzentwurf geäußert. „Frankreich bereitet sich darauf vor, fast 28.000 schwerkranke Ausländer zum Tod zu verurteilen“, heißt es in einer Erklärung auf der AIDES-Webseite. Das Aufenthaltsrecht von Migranten mit HIV, Hepatitis und anderen schweren Krankheiten unterliege künftig der Willkür der Präfekten, außerdem werde die ärztliche Schweigepflicht außer Kraft gesetzt.
„Wir sind zum zivilen Ungehorsam bereit. Wir werden alle Mittel – auch illegale – anwenden, um unsere schwerkranken ausländischen Mitbürger zu schützen“, sagte AIDES-Präsident Bruno Spire am 3. Mai bei einer Demonstration vor dem Senatsgebäude. Über 80 Aktivisten von AIDES und ACT UP Paris blockierten rund zwei Stunden den Verkehr. Vor einem Leichenwagen versuchten Demonstranten in Trauerkleidung, mit den Ausschussmitgliedern ins Gespräch zu kommen. Pierre Chappard, der Präsident von ACT UP Paris, AIDES-Generaldirektor Vincent Pelletier und 78 weitere Aktivisten wurden von der Polizei festgenommen.
„Die von Ausweisung Betroffenen leben oft schon seit vielen Jahren in Frankreich“, sagte AIDES-Vertreter Oliver Denoué. „Viele arbeiten und zahlen Steuern. Sie haben schwere Krankheiten wie HIV, Hepatitis oder Krebs, die sich verschlimmern, wenn sie nicht medizinisch betreut werden. Sie in ihre Herkunftsländer zurückzuschicken, wo Pflege und medizinische Behandlung Luxus sind, bedeutet für sie früher oder später den sicheren Tod. Im Namen einer Migrationspolitik, die keine Zugeständnisse kennt, und aus wahltaktischen Gründen scheint die rechtsgerichtete Mehrheit entschlossen zu sein, das Selektionsprinzip mit aller Unbarmherzigkeit anzuwenden.“
(ch)
Quellen
AIDES: Ausführlicher Bericht über den Protest vor dem Senat mit Bildern und Videos (in französischer Sprache)
AIDES: Bilder von der Aktion auf Facebook