7. Flächendeckende Optimierung der gesundheitlichen Angebote nach Prostituiertenschutzgesetz und Infektionsschutzgesetz

Die Studie zeigt, dass der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) eine wichtige Funktion in der Gesundheitsförderung von Sexarbeiter*innen einnimmt – primär durch die Angebote der Gesundheitsämter nach § 19 Infektionsschutzgesetz (IfSG). Damit Sexarbeiter*innen überall in Deutschland auf bedarfsgerechte Angebote zugreifen können, ist jedoch eine inhaltliche Optimierung und eine flächendeckende Umsetzung dieser Angebote notwendig. Da auch die verpflichtende gesundheitliche Beratung für die Anmeldung als Prostituierte vom ÖGD umgesetzt wird (§ 10 ProstSchG), ist es umso wichtiger, den ÖGD für die Bedarfe von Sexarbeiter*innen weiter in der Breite zu sensibilisieren und dementsprechend aufzustellen. Zur Optimierung der Angebote nach § 19 IfSG und nach § 10 ProstSchG können aus der Studie folgende Empfehlungen abgeleitet werden:

  • Die partizipative Erarbeitung beziehungsweise Überarbeitung bundesweit geltender Leitfäden, an denen sich diese Angebote orientieren müssen. An dieser Arbeit sollen Sexarbeiter*innen aus diversen Communitys sowie Fachberatungsstellen und die Aidshilfe beteiligt werden.
  • Schulungen und Fortbildungen zu den Bedarfen und Lebensrealitäten von Sexarbeiter*innen für alle Fachkräfte des ÖGD, die nach den oben genannten Paragrafen arbeiten.
  • Beratungen zur PrEP und zur PEP in den Angeboten nach IfSG und nach ProstSchG systematisch verankern.
  • Erweiterung der Angebote nach IfSG um folgende Leistungen für Sexarbeiter*innen ohne Krankenversicherung:
    • PrEP und PEP (wie in Empfehlung 8 beschrieben)
    • HIV-Therapie (wie in Empfehlung 9 beschrieben)
    • Behandlung von STIs
    • Schutzimpfungen
    • ärztliche (insbesondere gynäkologische) Sprechstunden
  • Ausbau von Sozialarbeit und Beratung zur verbesserten Anbindung von Sexarbeiter*innen mit Vulnerabilitätsfaktoren (wie in Empfehlung 5 und in Empfehlung 6 beschrieben)
  • Sexarbeiter*innen muss verständlich sein, dass zwischen den Angeboten nach IfSG und denjenigen nach ProstSchG kein Datenaustausch stattfindet und dass sie keinerlei Nachteile zu befürchten haben, wenn sie erstere Angebote in Anspruch nehmen.

Um diese Optimierungen umzusetzen, braucht es eine stärkere bundesweite Koordination der Angebote für Sexarbeiter*innen durch den ÖGD. Dazu lautet die Empfehlung, auf Bundesebene eine Koordinierungsstelle „Sexarbeiter*innen im ÖGD“ zu schaffen, die die Qualitätssicherung der Angebote, die Koordinierung der Erarbeitung von Beratungsleitfäden und den Wissenstransfer zwischen den Gesundheitsämtern und zwischen den Ländern verantwortet.

Weil sie anonym in Anspruch genommen werden können und unter anderem aufsuchend erfolgen sollen, haben die Angebote nach § 19 IfSG das Potenzial, viel mehr Sexarbeiter*innen mit Vulnerabilitätsfaktoren (insbesondere Menschen ohne Papiere und Menschen ohne Krankenversicherung) zu erreichen als die Angebote nach § 10 ProstSchG.