Die Infomappe richtet sich an Berater*innen in Aidshilfen.

Ratsuchende, die Fragen rund um HIV, Geschlechtskrankheiten und sexuellem Wohlbefinden haben, können sich an unsere Onlineberatung unter www.aidshilfe-beratung.de wenden.  

Allgemeine Aspekte

  • In Deutschland lebten Ende 2017 rund 86.100 Menschen mit HIV, davon sind etwa 74.800 Männer.
  • Von diesen 86.100 HIV-Positiven bekommt die große Mehrheit (68.800 Menschen) eine medikamentöse Therapie. 11.300 Menschen mit HIV wissen nichts von ihrer Infektion.
  • HIV ist eine chronische Infektion, die zwar nicht heilbar, aber gut behandelbar ist. Durch die Behandlung wird vermieden, dass es zum Ausbruch des Krankheitsbildes Aids kommt.
  • Unter gut funktionierender Therapie haben Menschen mit HIV heute eine fast normale Lebenserwartung bei guter Lebensqualität.
  • Die individuelle Gesundheitssituation von Menschen mit HIV kann sich unterschiedlich darstellen. Dabei spielenverschiedene Faktoren eine Rolle, z. B. der Zeitpunkt der Infektion oder der Zeitpunkt des Therapiebeginns.
  • Auch in Deutschland sterben noch Menschen an Aids. Gründe sind eine zu späte Diagnose der Infektion oder Probleme bei der Tabletteneinnahme (z. B. bei psychischen Erkrankungen).
  • Menschen mit HIV sind nach wie vor häufig Diskriminierungen ausgesetzt. Das Virus löst weiterhin oft (irrationale) Ängste und Verunsicherung aus. Außerdem ist die HIV-Infektion oft mit Lebens- und Verhaltensweisen verknüpft, die nicht der Norm entsprechen.
  • Das in Deutschland seit 2006 geltende Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbietet Diskriminierung aufgrund von ethnischer Zugehörigkeit, Geschlecht, sexueller Orientierung oder Behinderung. Im Dezember 2013 hat ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts klargestellt, dass auch eine symptomlose HIV-Infektion im Sinne des AGG als Behinderung anzusehen ist. Im Falle HIV-bezogener Diskriminierung – z. B. am Arbeitsplatz oder bei Datenschutzverletzungen – können HIV-Positive sich also auf das AGG berufen und ihre Rechte einklagen. (➞ dazu auch Kapitel 13, „Anitidiskriminierungsberatung“)
  • Im Arbeitsalltag besteht kein HIV-Übertragungsrisiko. Probleme kann es aktuell in zwei Bereichen geben: HIV-positive Ärzt_innen, deren Viruslast nicht unter der Nachweisgrenze ist und Bewerber_innen bei der Polizei. (Mehr Infos dazu unter Punkt „HIV und Arbeit“)

Rechtliche Aspekte

Muss der HIV-Status vor dem Sex mitgeteilt werden?

In Deutschland gibt es kein Gesetz, das HIV-Positive dazu verpflichtet, Sexpart- nern zu sagen, dass sie positiv sind. Menschen mit HIV müssen aber Maßnahmen zum Schutz des_der Partner_in treffen. Dieser Pflicht ist genüge getan, wenn ein Kondom benutzt wird. Es drohen dann keine strafrechtlichen Konsequenzen – auch dann nicht, wenn trotzdem eine Infektion stattfindet, zum Beispiel, weil das Kondom reißt oder abrutscht.

Als Safer-Sex gilt auch der Schutz durch Therapie, also Sex ohne Kondom bei einer stabilen Viruslast unter der Nachweisgrenze durch die ART. Im Falle einer Anklage muss der_die Beklagte nachweisen, dass er_sie unter Therapie ist und die Viruslast stabil unter der Nachweisgrenze liegt. In der letzten Zeit kam es dann zum Freispruch bzw. wurden die Klagen erst gar nicht zugelassen. Im Einzelfall kann es aber auch heute noch zu schwierigen Prozessen kommen, da sich noch nicht alle Gerichte mit der Evidenz von Schutz durch Therapie beschäftigt haben und ggfs. der_die Beklagte in die nächste Instanz gehen muss.

Im Fall einer Anklage ist es unbedingt ratsam, vor jeglicher Aussage auch bei der Polizei, einen Rechtsbeistand einzuholen.

Ungeschützter Sex

Menschen mit HIV machen sich strafbar, wenn sie ungeschützten Sex haben und der_die Partner_in nichts von ihrer Infektion weiß. Hier ist die Rechtslage eindeutig. Ungeschützter Sex bedeutet, dass weder Kondome genutzt wurden noch die Viruslast unter der Nachweisgrenze lag und der_die HIV-Positive nachweislich von der HIV-Infektion wusste. Die absichtliche oder fahrlässige Weitergabe von HIV wird nach deutschem Recht als Körperverletzung eingestuft. Geurteilt wird nach den Paragrafen 223 und 224 des Strafgesetzbuches. Ungeschützter Sex, der keine Infektion nach sich zieht, gilt als versuchte Körperverletzung, kann also ebenfalls zu einer Verurteilung führen. Weiß der_die Partner_in von der Infektion und hat dennoch ungeschützen Sex mit ihm_ihr, ist dies für beide Seiten nicht strafbar. Im Zweifelsfall muss die Person mit HIV aber belegen können, dass der_die Partner_in dieses Risiko einvernehmlich eingegangen ist. Wer juristisch auf der ganz sicheren Seite sein möchte, kann eine solche Vereinbarung schriftlich festhalten oder vor Zeugen treffen. Durch die effektiven Therapien sind solche Situationen heute äußerst selten.

Berufswahl, Einstellung und Ausübung eines Berufs als HIV-Positive_r: 

Grundsätzlich bestehen für Menschen mit HIV keine Einschränkungen bei der Berufswahl. Bei Bewerbungsgespräche  und Einstellungsuntersuchungen muss der_die Bewerber_in den Arbeitgeber nicht über seine_ihre HIV-Infektion informieren. Der Arbeitgeber darf auch nicht danach fragen. Stellt er die Frage trotzdem, darf der_die Arbeitnehmer_ in sogar lügen. Ausnahmen von dieser Regel gibt es nur in wenigen, weiter unten angeführten Fällen. Ist man berufstätig und infiziert sich mit HIV, muss man das dem Arbeitgeber ebenfalls nicht mitteilen. Eine HIV-Infektion ist auch kein Kündigungsgrund.

Berufe im Gesundheitswesen

Menschen mit HIV können grundsätz-lich ohne Probleme als Arzt_Atztin oder Krankenpflerger_in arbeiten. Einschränkungen gibt es nur im Bereich der Chirurgie, wenn ein Ansteckungsrisiko für andere Menschen bestehen könnte. Dies ist bei einem kleinen Teil von Ope-rationen der Fall, bei denen für den_die operierende_n Chirurg_in (Urologe, Gynäkologe, Zahnarzt…) selbst eine hohe Verletzungsgefahr besteht und Blut des Chirurgen in das Operations-gebiet gelangen kann und gleichzeitig die Viruslast des Operateurs nachweis-bar (>50 Kopien / ml) ist. Die meisten anderen Operationen können auch von nicht antiretroviral behandelten HIV-positiven Chirurg_innen ausgeführt werden. Seit August 2012 gibt es Empfehlungen der Deutschen Vereinigung zur Be-kämpfung der Viruskrankheiten (DVV) und der Gesellschaft für Virologie (GfV), die Regelungen beinhaltet, welche Tätigkeiten HIV-positive Beschäftigte im Gesundheitswesen unter welchen Bedingungen ausführen dürfen. Im HIV-Report Nr. 4 des Jahres 2012 werden die Empfehlungen zusammengefasst ▶ profis.aidshilfe.de.
Ein Problem ist, das die Empfehlungen in der Praxis teilweise falsch ausgelegt werden und dann fälschlicherweise behauptet wird, es gäbe generell im Gesundheitsbereich Einstellungseinschränkungen oder Tätigkeitsbeschränkungen.

Luftfahrtpersonal

  • Pilot_innen
    Für Pilot_innen gelten hohe Tauglichkeitsanforderungen. Aufgrund europäischer Flugsicherheitsrichtlinien gehört ein HIV-Test daher zur Pilot_innenenausbildung. Aber nicht alle Fluggesellschaften testen! Ob Menschen mit HIV heute zur Pilot_innenausbildung zugelassen werden, hängt nicht davon ab ob sie positiv sind, sondern wie ihr allgemeiner Gesundheitszustand ist. Erhält ein_e ausgebildete_r Pilo_int während seiner_ihrer Berufstätigkeit ein positives Testergebnis, kann er_sie – solange sein_ihr Gesundheitszustand das erlaubt – als Pilot_in weiterarbeiten.
  • Kabinenpersonal /  Flugbegleiter_innen
    Auch mit HIV kann man als Flugbegleiter_in arbeiten. Die Fluggesellschaften gehen allerdings unterschiedlich mit dem HIV-Test um. Es ist schwierig, allgemeingültige Aussagen zu machen. Viele Fluglinien verlangen keinen Test. Manche verlangen den Test und knüpfen eventuell besondere Auflagen an eine Einstellung. Im Einzelfall ist es sinnvoll, sich darüber bei der DAH oder regionalen Aidshilfen zu informieren. Das Argument, Menschen mit HIV könnten als Pilot_innen oder Kabinenpersonal nicht in alle Länder einreisen, ist kein Grund die Einstellung zu verweigern. Es ist den Fluggesellschaften möglich und zuzumuten, Menschen mit HIV für bestimmte Länder / Routen sperren zu lassen. Das ist auch in ande-ren Fällen schon Praxis.

Tätigkeit im Ausland /  Berufe mit Reisetätigkeit

Noch immer verweigern viele Länder Menschen mit HIV die Einreise oder einen längeren Aufenthalt. Wenn Reisen oder Tätigkeiten in solchen Ländern Hauptbestandteil eines Jobs sind, werden Menschen mit HIV bei der Eignungsprüfung manchmal ausgeschlossen. Die Arbeitgeber dürfen in solchen Fällen, wenn die Tätigkeit ausschließlich oder überwiegend in einem Land mit Einreise / Aufenthaltsbeschränkung für HIV-Positive stattfinden würde, ausnahmsweise im Einstellungsgespräch fragen, ob eine HIV-Infektion besteht. Nähere Infos über die betroffenen Länder gibt es unter ▶ www.hivtravel.org

Manche Berufe setzen außerdem „Tropentauglichkeit“ voraus. Eine behan-delte HIV-Infektion ist hier in der Regel kein Hindernis, da bei stabilem Immunsystem die sonst problematische Gelbfieberimpfung durchgeführt werden kann. Entscheidend ist, ob der_die einzelne Bewerber_in den Belastungen durch das Klima am Einsatzort gesundheitlich gewachsen ist.

Eine fachkundige medizinische Behandlung der HIV-Infektion ist von großer Bedeutung. Idealerweise sollte sie in einer HIV-Schwerpunktpraxis erfolgen. Grund-sätzlich macht es Sinn, dass der Arzt_die Ärztin von der HIV-Infektion weiß. Zum einen hilft es ihm_ihr zu diagnostizieren, ob Symptome im Zusammenhang mit der HIV-Infektion stehen, zum anderen geht es darum, dass eine Behandlung mit der HIV-Therapie kompatibel ist.

Andererseits werden uns immer wieder Fälle berichtet, bei denen HIV-Positive beim Arztbesuch wegen ihrer Infektion diskriminiert werden. Dies reicht von der Verlegung von Zahnarztterminen auf das Ende der Sprechstunde bis hin zu Behandlungsverweigerung. Dafür gibt es keinen Grund. Deswegen sollte man sich in solchen Fällen an die örtli-che Aidshilfe wenden oder direkt eine Beschwerde an die Landesärztekammer richten.

Für viele HIV-Positive stellt sich deswegen die Frage, ob sie ihren HIV-Status auch bei anderen Ärzt_innen (z. B. Zahnärzt_innen, Orthopäd_innen) offenlegen sollen oder müssen. Die überwiegende Mehrheit der Rechtswissenschaftler_innen ist der Meinung, dass eine bekannte HIV-Infektion gegenüber dem_der Ärzt_in zu offenbaren ist, andere halten diese Rechtsauffasung für nicht haltbar. Wenn man sich nicht als HIV-positiv outet, hat das aber keine juristischen Folgen, außer eine eventuelle Auflösung des Behandlungsvertrages mit dem Arzt_der Ärztin, d. h. der Arzt_die Ärztin kann eine weitere Behandlung ablehnen.

Eine Ausnahmesituation stellt dar, wenn die HIV-Infektion nicht angespro-chen wurde, der Arzt_die Ärztin / das medizinische Personal sich aber während der Behandlung so verletzt, dass theoretisch eine HIV-Infektionsgefahr bestünde. Juristisch ist nicht geklärt, wie in einem solchen Fall entschieden würde, da es deswegen noch nie zu einem Verfahren kam. Hier raten aber auch Jurist_innen dazu, den HIV-Status zu offenbaren, damit der Arzt_die Ärztin / das medizinische Personal gegebenenfalls eine PEP einleiten kann. Eine Möglichkeit dieses Problem zu umgehen ist, bei der Schwerpunktpraxis oder bei der Aidshilfe vor einer Behand-lung nach Ärzt_innen zu fragen, für die die Behandlung von HIV-positiven Patient_innen selbstverständlich und unproblematisch ist.

Urlaubs- und Dienstreisen sind für viele Menschen ein wichtiger Bestanteil des Lebens. Eine HIV-Infektion ist dabei in den meisten Fällen kein Hindernis. Innerhalb Europas sind Reisen in der Regel völlig unproblematisch.

Einreisebeschränkungen

Noch immer verweigern einige Länder Menschen mit HIV prinzipiell die Einreise, darunter zum Beispiel viele arabische Länder. Manche Länder dulden Kurzaufenthalte bis zu 90 Tagen, wieder andere untersagen jegliche Einreise von HIV-Positiven. Solange eine HIV-Infektion nicht bekannt wird, gibt es in der Regel keine Probleme. Ein HIV-Test wird normalerweise nur verlangt, wenn man ein Visum für die mehrfache Einreise oder für einen längeren Aufenthalt beantragt. Wird die HIV-Infektion bekannt, führt das allerdings in einigen Ländern zur Abschiebung. Die englischsprachige Website www.hivtravel.org gibt detaillierte Informationen über die gesetzlichen Bestimmungen und die Praxis in allen Ländern. Wer eine Reise in ein Land mit Einreisebeschränkungen plant, sollte sich genau erkundigen, wie sie in der Praxis gehandhabt werden. Weitere Informationen zur Reisevorbe-reitung, besonders auch zum Umgang mit Medikamenten gibt es im Med-Info Nr. 10.

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