Ein Blick auf den DÖAK

Liebe Leser*innen,

es fühlt sich immer noch besonders an, sich wieder mit vielen Menschen über mehrere Tage treffen und austauschen zu können – so wie Ende März auf dem Deutsch-Österreichischen AIDS-Kongress (DÖAK) in Bonn, wo rund 1000 Mediziner*innen, Wissenschaftler*innen, Community-Vertreter*innen und Mitarbeiter*innen von Aidshilfen und sonstigen Einrichtungen zusammenkamen. Unser Eindruck war: Die Wiedersehensfreude war groß – und alle haben zugewandter und offener miteinander diskutiert als bei manchen früheren Kongressen.

Die Community war im Programm und in den Symposien, Workshops, Campfires und Plenarveranstaltungen gut sichtbar vertreten und konnte sich nicht nur beim Thema positive stimmen 2.0 Gehör verschaffen. Berührend war u.a. der Workshop zu Sex und Psyche „in Zeiten von Mpox und anderen Schlechtigkeiten“ mit vielen sehr persönlichen Berichten von Ängsten und psychischen Problemen, die von Covid und Affenpocken geblieben sind und mit denen sich viele Menschen alleine gelassen fühlen.

Eines unserer großen Themen ist die PrEP-Versorgung, zu der wir im Vorfeld ein Positionspapier veröffentlicht haben. Wir fordern darin, die PrEP allen Personen mit Bedarf zugänglich zu machen und ihr Potenzial auch zur Stärkung des sexuellen Wohlbefindens besser auszuschöpfen. Dazu braucht es gemeinsame Anstrengungen von Politik, Medizinsystem, Prävention und Communitys. Das Papier fand viel Beachtung, und wir bleiben am Ball. Als unsere Aufgabe sehen wir es vor allem, die PrEP als Schutzmethode noch bekannter zu machen, der Stigmatisierung von Nutzer*innen entgegenzuwirken, in der Kommunikation und Beratung Ängste zu nehmen – und bei jeder Gelegenheit für niedrigschwellige Zugänge einzutreten.

Natürlich haben wir den DÖAK auch genutzt, um einmal mehr den Blick auf die Diskriminierung von Menschen mit HIV im Gesundheitswesen zu richten. Nach wie vor erleben HIV-Positive hier Datenschutzverletzungen, völlig überzogene Hygienemaßnahmen, Zurückweisung bei der Terminvergabe bis hin zur Ablehnung der Behandlung. Für viele Teilnehmende war es sehr erstaunlich, wie weit hier andere Länder sind: So wird in Frankreich die Verweigerung der Behandlung aufgrund einer HIV-Infektion als Straftat behandelt und kann mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 3 Jahren oder einer Geldstrafe von bis zu 45.000 € geahndet werden. In Italien kam ein Fall über die nationale gebührenfreie Hotline gegen Homotransphobie ins Rollen, nachdem ein Zahnarzt bei einem neuen Patienten den HIV-Status abgefragt und die Untersuchung abgebrochen hatte. Weil er gegen den Grundsatz der Rechtmäßigkeit und der Minimierung von angefragten Daten verstoßen hatte, wurde gegen den Arzt schließlich ein Bußgeld von 20.000 € verhängt.

Dass Menschen mit HIV im Gesundheitswesen gleich mehrfach diskriminiert werden, wenn sie eine andere Hautfarbe oder ethnische Herkunft haben, zeigen die Daten aus dem Afrozensus und den positiven stimmen 2.0. Die Folge: Sie haben Angst, Gesundheitsdienste in Anspruch zu nehmen. Das kann nicht zuletzt zu Spätdiagnosen und massiven Einschränkungen der Lebensqualität führen. Wir haben die Kampagne „Aidshilfen gegen Rassismus“ in den DÖAK getragen, um mehr Menschen gerade auch im Medizinbereich für rassistische Diskriminierung zu sensibilisieren und dagegen aktiv zu werden.

Ein Wermutstropfen vom DÖAK bleibt: Wir durften Beate Jagla noch einmal als Vorsitzende eines Workshops erleben, bevor sie sich wenige Tage später aus dem aktiven Berufsleben zurückgezogen hat. Dass das Thema des Workshops – Sexarbeit – ihr besonders am Herzen liegt, zeigt sich auch in dem lesenswerten Interview, das sie uns zum Abschied gegeben hat. Wir danken Beate für alles und wünschen ihr alles Gute für die Zukunft!

Herzliche Grüße,

Silke Klumb