Elektronische Patientenakte: Daten schützen, Selbstbestimmung ermöglichen

Die elektronische Patientenakte (ePA) wird zu einem regulären Bestandteil der Gesundheitsversorgung. Ab sofort steht sie allen gesetzlich und privat Versicherten zur Verfügung. Die Deutsche Aidshilfe wird die ePA und andere Säulen einer digitalen Gesundheitsinfrastruktur weiter kritisch-konstruktiv begleiten. Ziele: Datensicherheit, Transparenz und ein selbstbestimmter Umgang mit sensiblen Informationen.

Aktuelle Info: Zum Referent*innenentwurf des Digital-Gesetzes vom 05.07.2023 positioniert sich die Deutsche Aidshilfe mit einer Stellungnahme.

Die fortschreitende Digitalisierung im Gesundheitswesen führt bereits heute zu wesentlichen Veränderungen, die Chancen und Risiken für Patient*innen bergen. Die Modernisierung muss sich an einer für Patient*innen spürbaren Verbesserung der Versorgung messen lassen und deren Stellung im Gesundheitssystem stärken. Patient*innen müssen in der Lage sein, informierte Entscheidungen zu treffen. Wichtigste Maßstäbe sind die Sicherheit der Daten sowie das Recht der Patient*innen auf informationelle Selbstbestimmung.                     

Gerade für Menschen mit HIV, die wegen ihrer Diagnose auch im Gesundheitswesen Diskriminierung und Benachteiligung erleben, ist die Hoheit über ihre Daten besonders wichtig. Neben dem HIV-Status sind zum Beispiel Drogenkonsum und psychische Erkrankungen besonders sensible Informationen.

Grundsätzlich bietet die elektronische Patientenakte – bei einer entsprechenden Ausgestaltung –  für Patient*innen eine Vielzahl neuer Möglichkeiten, etwa im Bereich Versorgung und Patient*inneninformation. Ein Großteil der Patient*innenorganisationen begrüßt daher die Einführung.

Es bleiben allerdings Fragen offen, etwa im Bereich der Datensicherheit, Funktionalität und der informationellen Selbstbestimmung. Eine kritisch-konstruktive Begleitung des weiteren Entwicklungsprozesses ist deshalb wichtig.

Da in der ePA besonders sensible Daten verarbeitet werden, bestehen höchste Anforderungen an IT-Sicherheit und Datenschutz. Bezogen auf die technische Umsetzung müssen unabhängige Organisationen mit entsprechenden Kompetenzen (zum Beispiel aus der Zivilgesellschaft) Möglichkeiten einer regelmäßigen Kontrolle und Begleitung der Weiterentwicklung erhalten.

Gezielte Freigabe – so einfach wie möglich

Seit 2022 ist es Nutzer*innen von Smartphone und Tablet möglich, eine dokumentengenaue Berechtigung zu vergeben. Ab 2023 soll das für alle Versicherten möglich sein – unabhängig davon, über welche Endgeräte sie auf ihre ePA zugreifen. Das heißt, Nutzer*innen bestimmen, wer welche Daten einsehen kann und erhalten damit mehr Kontrolle über ihre Gesundheitsdaten.

Die sichere und souveräne Nutzung hängt dabei ganz entscheidend von entsprechenden Kompetenzen der Nutzer*innen ab, also von Patient*innen, Ärzt*innen sowie alle weiteren Berufsgruppen, die Zugriff auf die ePA haben.

Patient*innen können nur von der ePA profitieren und Risiken vermeiden, wenn sie gut informiert werden, ihnen ein leicht zu bedienendes System zur Verfügung gestellt wird und sie die Möglichkeit haben, ihre digitale Kompetenz zu verbessern. Dieser Aufgabe müssen die Krankenkassen gerecht werden.

Eine ePA zum Wohl der Patient*innen

Die weitere Entwicklung der ePA kann dementsprechend anhand folgender Kriterien bewertet werden:

  • Transparenz
  • Freiwilligkeit
  • Niedrigschwelligkeit

Transparenz

Transparenz ist Voraussetzung, um als Versicherte*r eine souveräne Entscheidung für oder gegen die Nutzung der ePA fällen zu können.

Die grundlegende Architektur der ePA mit der dahinterstehenden Infrastruktur muss ebenso klar nachvollziehbar sein wie die Sicherheits- und Datenschutzkonzepte.

Das grundsätzliche Angebot der ePA, alle wesentlichen Funktionen sowie mögliche Konsequenzen der Nutzung müssen in größtmöglicher Verständlichkeit transparent gemacht werden, sowohl innerhalb der Nutzungsplattformen (also primär in den Apps der Krankenkassen), als auch durch begleitende Informationen.

Freiwilligkeit

Die Nutzung der elektronischen Patientenakte darf für Patient*innen nicht zur Pflicht werden. Freiwilligkeit muss sowohl bezüglich der Nutzung der ePA selbst als auch auf verschiedene Nutzungsmöglichkeiten gewährleistet sein. Es muss frei entschieden werden können, welche Daten eingestellt werden und wer jeweils Zugriff auf welche  Dokumente erhält („dokumentengenaue Freigabe“).

Eine so genannte Opt-Out-Variante, wie sie im Koalitionsvertrag vorgesehen ist, lehnen wir ab. Sie würde bedeuten, dass alle Versicherten eine ePA zur Verfügung gestellt bekämen, außer es wird aktiv widersprochen.

Sollte es so kommen, muss zumindest gewährleistet bleiben, dass es jedem Menschen frei steht die ePA einfach nicht zu füllen oder niemandem freizugeben.

Auch die Weitergabe pseudonymisierter Daten in der ePA zu Forschungszwecken muss freiwillig bleiben und transparent erfolgen.

Besonders wichtig sind dafür – ergänzend zur Aufklärung durch an der ePA beteiligte Akteur*innen – unabhängige Informationsangebote.

Niedrigschwelligkeit

Niedrigschwelligkeit bedeutet, dass die Handhabung der ePA so einfach wie möglich sein muss. Die jeweiligen Nutzungsoberflächen, etwa die mobilen Apps der Krankenkassen, sollten intuitiv bedienbar sein und zugleich von guten Hilfs- und Beratungsangeboten begleitet werden (Aufbau digitaler Kompetenz).

Zugleich dürfen jene Menschen nicht vergessen werden, die zum Beispiel kein Smartphone haben oder die ePA nicht mit einem Smartphone nutzen möchten.

Ein Recht auf Berücksichtigung haben auch Menschen mit geringer digitaler oder Sprachkompetenz oder mit wenig Deutschkenntnissen, die bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen selten mitgedacht werden. Hier besteht Nachholbedarf.

Weiterer Prozess

In den weiteren Entwicklungsprozess der ePA und anderer Bausteine einer digitalen Gesundheitsinfrastruktur müssen zivilgesellschaftliche Organisationen und Patient*innenvertreter*innen nachhaltig einbezogen werden.

Die Deutsche Aidshilfe begleitet den weiteren Prozess der Einführung außerdem auf verschiedenen Ebenen:

  • Informationsangebote und Kompetenzaufbau für DAH-Zielgruppen, um Entscheidungsgrundlagen und konkrete Hilfestellung für die (Nicht-) Nutzung der ePA zu bieten,
  • Vernetzung mit anderen (zivilgesellschaftlichen) Organisationen, die sich kritisch-konstruktiv mit der ePA auseinandersetzen.

Weitere Informationen / Veröffentlichungen der DAH zum Thema