Bundesmodellprojekt „NALtrain“ startet: Leben retten mit Naloxon

Deutsche Aidshilfe, Institut für Suchtforschung und Akzept wollen das Notfallmedikament bekannter machen und verbreiten, um Drogentodesfälle durch Überdosierungen zu reduzieren.

Über 600 Menschen sind 2020 infolge des Konsums von Heroin und anderen Opioiden gestorben – unter einer Drogenpolitik, die weiterhin auch auf die Kriminalisierung von Konsumierenden setzt.

Viele dieser Todesfälle aber hätten durch ein Naloxon-Nasenspray vermieden werden können. Das einfach anwendbare Medikament Naloxon kann innerhalb weniger Minuten die atemlähmende Wirkung von Opioiden wie Heroin, Fentanyl oder Methadon aufheben und damit Leben retten.

Doch bislang kommt das Notfallmedikament viel zu wenig zum Einsatz. 2019 wurde das verschreibungspflichtige Nasenspray nur 370 Mal per Kassenrezept (und 570 Mal per Privatrezept, meist über Projekte) an Drogengebraucher*innen ausgegeben – bei geschätzten 165.000 Opioidkonsument*innen in Deutschland.

Mitarbeiter*innen von Aids- und Drogenhilfen werden geschult, das Wissen zum Notfallmedikament Naloxon weiterzugeben

Dabei sei mit der Einführung des Nasensprays 2018 eine Grundlage geschaffen worden, das lebensrettende Medikament verstärkt auch durch geschulte Laien wie zum Beispiel Betroffene, Eltern und Angehörige sowie durch Mitarbeiter*innen der Drogen- und Aidshilfen einzusetzen, bis Rettungskräfte vor Ort sind, so Professor Heino Stöver. Er ist der Gesamtleiter des gemeinsam von seinem Institut für Suchtforschung Frankfurt mit Akzept e.V. und der Deutschen Aidshilfe entwickelten Bundesmodellprojekts „NALtrain“, das zum 1. Juli 2021 startet.

Im Rahmen von NALtrain sollen zunächst in 40 Städten Mitarbeiter*innen in Einrichtungen der Aids- und Drogenhilfe durch halbtägige Schulungen zu Trainer*innen ausgebildet werden, die ihr Wissen dann in Kurzinterventionen an Drogengebraucher*innen und Substituierte weitergeben.

Verbindliche Kontakte mit Ärzt*innen sollen mehr Verschreibungen des Naloxon-Nasensprays ermöglichen 

Außerdem werden in den teilnehmenden Städten verbindliche Kontakte zu Ärzt*innen aufgebaut, damit alle geschulten Drogengebraucher*innen und Substituierten auch ein Rezept erhalten, das sie in der Apotheke einlösen können.

Im Rahmen einer Begleitevaluation werden Daten zur Anzahl der ausgebildeten Personen sowie zur Zahl der Rezepte erfasst. Zudem soll ein Rückmeldesystem nach erfolgter Anwendung des Nasensprays installiert werden.

Ziel des Projektteams ist es, dass nach Abschluss des auf drei Jahre angelegten Programms viele tausend Drogengebraucher*innen und Substituierte das Naloxon-Nasenspray mit sich führen und im Notfall anwenden können. Zudem soll das Thema „Drogennotfall“ ein fester Baustein in der Arbeit und Ausbildung aller in den Drogen- und Aidshilfen tätigen Mitarbeiter*innen werden.

Bereits im Mai ist mit www.naloxontraining.de/ eine Naloxon-Notfall-App und ein digitales Schulungsprogramm zum Einsatz des lebensrettenden Medikaments an den Start gegangen.

(ascho)

Link zur Pressemitteilung von Akzept (Bundesverband für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik), Deutscher Aidshilfe und Institut für Suchtforschung Frankfurt zum NALTrain-Start vom 1.7.2021

Drogentote sind oft Opfer einer verfehlten Drogenpolitik (Meldung auf aidshilfe.de vom 26. März 2021)