Chronisch krank, schwerbehindert: zu teuer für die Krankenkasse?

Eine der größten gesetzlichen Krankenkassen Deutschlands soll Mitglieder, die ihr viel Geld kosten, zur Kündigung ihrer Mitgliedschaft gedrängt haben.

Dies gehe aus internen Telefonprotokollen der KKH-Allianz hervor, berichtete das ZDF-Fernsehmagazin Frontal 21 am 30. Oktober 2012. Danach habe die Krankenkasse Hunderte ihrer Versicherten angerufen und ihnen nahegelegt, sich eine andere Krankenkasse zu suchen. Betroffene Versicherte und Kassenmitarbeiter hätten dieses Vorgehen der ZDF-Redaktion bestätigt.

Die Telefonaktion der KKH-Allianz soll nach ZDF-Recherchen mehrere Monate gedauert haben. In den detaillierten Aufzeichnungen heiße es beispielsweise über einen HIV-positiven Mann, „er sei immer schon bei KKH und die zahlen auch seine HIV-Therapie; nach langem Gespräch dennoch überzeugt, über Kassenwechsel nachzudenken; Kündigung liegt vor“. Einer blinden Kundin habe man „den Kassenwechsel als Möglichkeit aufgezeigt“, und zu einer schwerkranken Diabetikerin sei vermerkt: „hat am Telefon geweint; Kündigung liegt vor!“

„Das entspricht in keinem Fall dem Auftrag einer gesetzlichen Krankenversicherung“, rügte Prof. Rolf Rosenbrock, Vorsitzender des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, die Geschäftspraxis der KKH-Allianz im ZDF. Immerhin sei sie per Gesetz eine Solidargemeinschaft. Kritik äußerte auch der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar: Wettbewerb dürfe nicht dazu führen, „dass man gesetzliche Grenzen überschreitet“. Es könne nicht sein, dass man Menschen aus der gesetzlichen Kasse dränge, „weil sie möglicherweise zu teuer sind“.

Laut Frankfurter Rundschau habe das Bundesversicherungsamt als zuständige Aufsichtsbehörde bereits reagiert und die KKH-Allianz zu einer Stellungnahme aufgefordert. Die Krankenkasse habe die Telefonaktion zwar eingeräumt. Doch bei den Gesprächen sei es darum gegangen, nicht gezahlte Zusatzbeiträge einzufordern. „Dies galt ausnahmslos für alle Schuldner und unabhängig von Alter, Geschlecht, Krankengeschichte oder sonstigen Kriterien“, so die KKH-Allianz in einer schriftlichen Stellungnahme. Aufgrund der Vorwürfe habe der Vorstand der Krankenkasse mittlerweile jedoch eine interne Prüfung veranlasst.

(ch)

Quellen:

Fernsehmagenzin Frontal 21 vom 30. 10. 2012

Frankfurter Rundschau vom 30.10. 2012

Meldung SPIEGEL ONLINE vom 30.10.2012