Nicht oder fast nicht mehr infektiös?

Die HIV-Therapie senkt die Infektiosität stark. Die Eidgenössische Kommission für Aidsfragen hatte Ende Januar 2008 für Aufregung gesorgt, als sie ihr Statement veröffentlichte, nach dem HIV-Positive unter antiretroviraler Therapie und strengen Bedingungen (keine anderen Geschlechtskrankheiten, hohe Therapietreue und Viruslast seit mindestens sechs Monaten unter der Nachweisgrenze) nicht mehr infektiös seien.

Die Deutsche AIDS-Hilfe folgte dem Statement im Wesentlichen, sprach aber nicht von Nicht-Infektiosität, sondern verglich die Effektivität der neuen Methode mit der von Kondomen. Ende 2010 folgten die Deutsche AIDS-Gesellschaft (DAIG) und die niedergelassenen HIV-Ärzte (DAGNÄ) dem Vergleich mit dem Kondom.

Seit Verkündung des EKAF-Statements gibt es eine zum Teil erbitterte Kontroverse über die "Nicht-Infektiosität". Den meisten Forschern ist dies zu endgültig formuliert. Im Grunde aber würde jeder zustimmen, wenn die Formulierung "fast nicht mehr infektiös" lauten würde.

Für HIV-Positive und ihre negativen Partner sind solche Unterschiede aber durchaus bedeutsam. Denn für die meisten HIV-Infizierten ist es eine schlimme Vorstellung, ihren Partner zu infizieren. Von vielen Partnerstudien weiß man aber auch, dass der 100-prozentige Kondomgebrauch nur schwer durchzuhalten ist. Daher war für viele Paare, mit unterschiedlichem HIV-Status, die EKAF-Erklärung eine Erlösung von oft übermächtigen Infektionsängsten.

Die Kontroverse bleibt. Und was macht man, um eine Kontroverse zu beenden? Man führt eine Studie durch, die den Sachverhalt klären soll.

Die "Partners of people on ART"-Studie steht in den Startlöchern. Auf der HIV-Therapie-Konferenz in Glasgow wurden noch wichtige Details z.B. zum Datenschutz geklärt. In Kürze werden insgesamt 1650 Paare mit unterschiedlichem HIV-Status gesucht, die nicht immer beim Sex Kondome verwenden. Im Informationsflyer heißt es:

"Wir wissen, dass Kondome am sichersten und am wirksamsten dabei sind, vor einer Übertragung bzw. Ansteckung zu schützen. Es ist uns aber auch bekannt, dass Kondome reißen oder abrutschen können – und dass nicht jeder auch jedes Mal Kondome benutzt.

Diese neue Studie beschäftigt sich insbesondere mit Partnerschaften, in denen beim Geschlechtsverkehr nicht immer ein Kondom benutzt wird - und außerdem mit den Gründen, warum dies der Fall ist."

Durchgeführt wird die Studie vom Kopenhagener HIV-Programm an der Universität von Kopenhagen. Informationen gibt es auch deutschsprachig auf der Webseite www.partnerstudy.eu.

In Deutschland beteiligen sich Kliniken aus Köln, Bonn, Hamburg, München, Bochum und Frankfurt an der Studie.

(Armin Schafberger)

DAH-Positionspapier „HIV-Therapie und Prävention“ vom April 2009

Statement der schweizerischen Eidgenössischen Kommission für Aids-Fragen vom Januar 2008