Funktionelle HIV-Heilung bei Baby: Fragen und Antworten

Die Nachricht von der funktionellen Heilung eines HIV-infizierten Babys geht weiter um die Welt. Unser Medizinreferent Armin Schafberger gibt Antworten auf wichtige Fragen:

Kann es eine funktionelle Heilung nach sehr früher Therapie auch bei Erwachsenen geben?

Die sehr frühe Therapie wird bei Erwachsenen seit Jahren erforscht. Es gab auch schon hoffnungsvoll stimmende Ergebnisse –bei einigen Erwachsenen konnte das Immunsystem die Virenvermehrung nach Absetzen der Therapie so gut kontrollieren, dass HIV kaum mehr nachweisbar war. Das heißt: Die Viruslast im Blut lag unter der Nachweisgrenze der normalen Methoden, lediglich in wenigen Zellen konnte noch Virus-Erbsubstanz nachgewiesen werden.

Die Ergebnisse sind besser, wenn man so früh beginnt, dass ein Antikörpertest und auch ein Antigentest noch negativ ausfällt. (Die meisten Menschen produzieren Antikörper gegen HIV zwischen der dritten und sechsten Woche nach der Ansteckung, das Antigen p24, ein Eiweißbestandteil der HIV-Hülle, kann etwa eine Woche früher nachgewiesen werden als Antikörper.) Allerdings werden Erwachsene nur selten in einem so frühen Stadium diagnostiziert, diese Fälle sind daher lediglich für die Forschung interessant. Das in Atlanta vorgestellte Kind unterscheidet sich jedoch von den bisher untersuchten Erwachsenen dadurch, dass im 24. Lebensmonat nur noch Spuren eines Virus nachweisbar waren.

Hinzu kommt: Säuglinge haben noch ein unreifes Immunsystem und keine Gedächtnis-Immunzellen (Memory-Zellen). Diese aber spielen für die Bildung von latenten Reservoiren (langlebigen infizierten, aber ruhenden Immunzellen) eine bedeutende Rolle. Man kann also auch aus diesem Grund die Ergebnisse nicht einfach auf Erwachsene übertragen.

 

Könnte es nicht sein, dass das Kind bei der Geburt über die Plazenta Blut von der Mutter übertragen bekam und sich nicht „richtig“ infizierte, weil es vielleicht eine besondere genetische Ausstattung hat, die vor HIV schützt?

Gegen diese These sprechen die Messwerte zur Viruslast: Die Mutter hatte bei der Geburt eine Viruslast von 2.432 Viruskopien/ml (bei 644 Helferzellen/Mikroliter), beim Kind wurden 31 Stunden nach Geburt 19.812 Viruskopien/ml gemessen.

Zudem hatte das Kind in den nächsten drei Wochen einen bei einer Therapie völlig normalen Abfall der Viruslast (siehe Darstellung der Viruslast). Bei der fünften Messung der Viruslast am Ende des ersten Lebensmonats war HIV nicht mehr nachweisbar (Nachweisgrenze 48 Viren/ml).

Kind und Mutter wurden auf sechs Gene untersucht, die einen gewissen Schutz gegen HIV bieten. Keines dieser schützenden Gene war vorhanden. Auch der sogenannte CCR5-Rezeptor – eine „Andockstelle“ für HIV auf der Oberfläche menschlicher Zellen – war genetisch nicht so verändert, dass er Schutz gegen HIV bot.

 

Gibt es eine Sicherheit, dass das Kind „geheilt“ bleibt?

Nein. Es kann sein, dass sich das Erbgut des Virus noch in ruhenden Zellen aufhält. Wenn diese Zellen aktiviert werden, könnte HIV sich vermehren und die Infektion wieder aufflammen. Aber immerhin ist das bis zum 26. Lebensmonat nicht geschehen.

 

Wurde eigentlich auch ein HIV-Antikörpertest gemacht?

In den ersten 18 Monaten haben Säuglinge noch die Antikörper der Mutter (man spricht hier auch vom „Nestschutz“). In dieser Zeit fällt der Antikörpertest bei Kindern HIV-positiver Mütter auf jeden Fall positiv aus. Diese Untersuchung ist daher sinnlos, man kennt das Ergebnis. Nach 18 Lebensmonaten gab es zunächst keinen Kontakt mehr zu Kind und Mutter, beide erschienen erst 24 Monate nach der Geburt wieder zu Untersuchungen. Die dann durchgeführten Antikörpertests waren negativ.

(hs)

 

Weitere Informationen

HIV-infiziertes Kind geheilt? (DAH-Blog, 4.3.2013)

Das Unmögliche möglich machen (DAH-Blog, 21.7.2012)