Eine funktionierende HIV-Therapie schützt vor Übertragungen beim Sex ohne Kondom

Eine Zwischenauswertung der PARTNER-Studie zur Schutzwirkung der HIV-Therapie beim kondomlosen Anal- und Vaginalverkehr zeigt, dass es in 894 Paar-Beobachtungsjahren zu keiner HIV-Übertragung kam.

„Das ist eine überaus erfreuliche Nachricht“, sagt Armin Schafberger, Medizinreferent der Deutschen AIDS-Hilfe. „Laut Studienleiter Jens Lundgren hätte man rund 50 bis 100 Übertragungen auf die HIV-negativen Partner erwarten müssen, wenn die HIV-positiven Partner der Studie nicht antiretroviral behandelt worden wären. Die HIV-Therapie hat also viele Infektionen verhindert.“

Man könne aus diesem Zwischenergebnis allerdings nicht schließen, dass das Risiko gleich Null wäre, so Schafberger weiter. „Statistisch wären bei längerer Beobachtungszeit mit mehr Paaren Übertragungen möglich gewesen. Aus diesem Grund wird die Studie bis 2017 fortgeführt und soll um 450 zusätzliche homosexuelle Paare erweitert werden. Wir laden schwule serodifferente Paare, das heißt, ein Partner ist HIV-positiv und einer HIV-negativ, zur Teilnahme an der PARTNER-Studie ein. Je schneller wir mehr schwule Paare haben, desto schneller haben wir hier gute Ergebnisse.“

Die statistische Unsicherheit, die in Studien durch das sogenannte 95-Prozent-Konfidenzintervall ausgedrückt werde, sei in dieser Studie für den Analverkehr größer, weil Vaginalsex ohne Kondome fast doppelt so häufig beobachtet wurde wie Analsex ohne Kondom. Im günstigsten Fall gehe der Schutzeffekt einer funktionierenden antiretroviralen Therapie auf dieser Datengrundlage gegen 100 Prozent (obere Spanne des Konfidenzintervalls), im allerungünstigsten Fall könnte sich bei den heterosexuellen Paaren über einen Zeitraum von zehn Jahren (bei gleich bleibendem Sexualverhalten) einer von 25 Partnern und bei den homosexuellen Paaren einer von zehn Partnern infizieren. Lundgren sagte dazu auf einer Pressekonferenz, es bleibe immer eine individuelle Entscheidung, welches Sicherheitsniveau man haben möchte.

Vorgestellt wurden die Zwischenergebnisse der PARTNER-Studie gestern auf der internationalen Konferenz CROI in Boston. Zugrunde liegen Daten zu 767 beobachteten hetero- und homosexuellen serodifferenten Paaren – ein Partner ist HIV-positiv, einer negativ –, die (auch) Vaginal- und Analverkehr ohne Kondom hatten. Der HIV-positive Partner musste dank antiretroviraler Therapie eine Viruslast von weniger als 200 Kopien pro Milliliter Blutplasma haben und die HIV-Medikamente konsequent einnehmen.

Durchgeführt wird die Studie an 75 europäischen Zentren, einige davon in Deutschland. Alle sechs Monate wird mit einem Fragebogen das Sexualverhalten sowie die Viruslast des positiven Partners und der HIV-Status des negativen Partners erhoben. Insgesamt wurden Daten zu 282 homosexuellen und 445 heterosexuellen Paaren (bei 245 war der Mann, bei 240 die Frau HIV-negativ) aus 894 Paar-Beobachtungsjahren ausgewertet (308 bei den homo- und 586 bei heterosexuellen Paaren).

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler schätzen, dass die untersuchten HIV-negativen Partner insgesamt rund 45.000 Mal kondomlosem Sex hatten (16.400 Mal bei den 282 homosexuellen Paaren und 28.000 Mal bei den 445 heterosexuellen). 34 Prozent der HIV-negativen homosexuellen Männer gaben dabei auch kondomlosen Sex mit andern Partnern an, ebenso drei Prozent der HIV-negativen heterosexuellen Männer und vier Prozent der HIV-negativen heterosexuellen Frauen.

Im bisherigen Studienverlauf gab es keine HIV-Übertragung vom HIV-positiven auf den HIV-negativen Partner. Zwar infizierten sich einige negative Partner (Zahlen wurden nicht genannt), doch schließen die Autoren der Studie aus virologischen Untersuchungen, dass diese Übertragungen aller Wahrscheinlichkeit bei Kontakten mit anderen Partnern, also außerhalb der Beziehungen stattfanden.

Interessant ist, dass bei 16 Prozent der untersuchten HIV-negativen homosexuellen Männer (sowie bei 5 % der heterosexuellen Männer und 6 % der Frauen) sexuell übertragbare Infektionen (SITs) diagnostiziert wurden, vor allem Gonorrhö und Syphilis. Solche STIs erhöhen bei hoher HIV-Viruslast das HIV-Übertragungsrisiko, bei niedriger Viruslast dagegen scheinen sie keinen großen Effekt zu haben, wie auch diese Daten vermuten lassen.

Die selbst berichtete Compliance („Therapietreue“ in dem Sinn, dass über 90 Prozent der Tabletten eingenommen werden), war hoch: 97 Prozent bei den homosexuellen HIV-positiven Partnern und jeweils 94 Prozent bei den heterosexuellen Frauen und Männern. Die Viruslast lag nach eigenen Angaben bei 94 % der homosexuellen Männer sowie bei 86 bzw. 85 Prozent der heterosexuellen Frauen und Männer unter 200 Kopien. Eine in der Studie gemessene Viruslast über 200 Kopien pro Milliliter Blutplasma führte zum Ausschluss aus der Studie.

(hs)

 

Quelle/weitere Informationen

Präsentation der Zwischenergebnisse zur PARTNER-Studie auf der CROI in Boston (PDF-Datei in englischer Sprache)

Fragen und Antworten zu den Zwischenergebnissen (PDF-Datei in englischer Sprache)

„PARTNER-Studie: Keine Transmission unter erfolgreicher ART“ (Beitrag auf hivandmore.de)

Informationen über die PARTNER-Studie und Möglichkeiten zur Teilnahme (PDF-Datei in deutscher Sprache)

No-one with an undetectable viral load, gay or heterosexual, transmits HIV in first two years of PARTNER-study“ (aidsmap.com, 4.3.2014)

Kommentare