Gilead: Truvada-Generika in Deutschland sind rechtswidrig

In Deutschland dürfen keine kostengünstigen Nachahmer-Präparate des HIV-Medikaments Truvada verkauft werden, meint der Truvada-Hersteller Gilead.

Die aktuelle Markteinführung solcher Produkte in Deutschland sei aus Sicht des Unternehmens nicht rechtmäßig, erklärte Gilead auf Anfrage der Deutschen AIDS-Hilfe.

Streit um Truvada-Patentschutz

Die patentrechtliche Situation des Präparats ist umstritten. Sicher ist: Der ursprüngliche Patentschutz für den Wirkstoff Tenofovirdisoproxil (TDF) ist im Juli ausgelaufen. Für das Kombinationspräparat Truvada, das außerdem Emtricitabin enthält, beruft sich Gilead auf ein sogenanntes ergänzendes Schutzzertifikat (Supplementary Protection Certificate, SPC). In zwölf europäischen Ländern sei die Truvada-Formulierung bis 2020 patentrechlich geschützt – auch in Deutschland. Gilead behalte „sich das Recht vor, gegen die Verletzung seiner geistigen Eigentumsrechte vorzugehen.“ Aus Frankreich gibt es eine ähnliche Ankündigung von Gilead zum Truvada-Patentschutz.

Der Generika-Hersteller Hexal widerspricht der Sichtweise von Gilead. „Hexal ist von der Unrechtmäßigkeit des Schutzzertifikates überzeugt“, erklärte eine Unternehmenssprecherin gegenüber der Deutschen AIDS-Hilfe. Die Gültigkeit des Schutzzertifikates werde bereits seit Monaten in einem patentrechtlichen Gerichtsverfahren geprüft. Hexal erwarte eine vorläufige Stellungnahme des Bundespatentgerichts Mitte August. Mit dem Versuch, einstweiligen Rechtsschutz zu erwirken, sei Gilead bisher nicht erfolgreich gewesen. Auch in Irland hat das Unternehmen offenbar versucht, einstweilige Verfügungen gegen Hersteller von Truvada-Generika zu erwirken, um ihnen den Marktzutritt zu verweigern.

Entscheidung auf europäischer Ebene

Darüber hinaus ist ein Gerichtsverfahren zur Gültigkeit der ergänzenden Schutzzertifikate vor dem Gerichtshof der Europäischen Union anhängig. Generika-Hersteller hatten zuvor gegen das ergänzende Schutzzertifikat für Großbritannien geklagt. Das Gericht verwies den Fall zur grundsätzlichen Klärung an den  Gerichtshof der Europäischen Union. Mit einem Urteil, das dann für die gesamte EU gelten würde, ist nach Aussage Gileads nächstes Jahr zu rechnen.

Einziges Medikament für HIV-Prophylaxe

Truvada ist ein häufig eingesetztes HIV-Medikament. Bislang war es außerdem das einzige Präparat, das auch für die HIV-Prä-Expositions-Prophylaxe PrEP zugelassen ist, also zur vorbeugenden Einnahme. Mit einem Preis von mehr als 800 Euro für das Originalpräparat ist die PrEP jedoch für die meisten Menschen in Deutschland nicht zugänglich, die Krankenkassen übernehmen die Kosten dafür bisher nicht.

Bislang sieben Generika im deutschen Handel

Die Deutsche AIDS-Hilfe hat Gilead darum immer wieder zu einer Preissenkung aufgefordert und die Einführung von weniger teuren Nachahmerpräparaten begrüßt. Hexal hatte sein Produkt Ende Juli in den Handel gebracht (aidshilfe.de berichtete). Laut der Deutschen Apotheker-Zeitung (DAZ) sind seit Anfang August Truvada-Generika sieben verschiedener Hersteller auf dem deutschen Markt verfügbar. Sie kosten bis zu 25 Prozent weniger als das Original, aber etwa drei Mal so viel wie Truvada-Generika in Frankreich. Das Präparat von Hexal ist laut DAZ das einzige, das auch zur PrEP zugelassen ist.

Gilead erklärt derweil, der Einsatz von Truvada sei „ein wichtiger Baustein für die Prävention von HIV“. Auf die Frage nach Preissenkungen könne man zurzeit keine Angaben machen.

(howi/hs)

Aktualisierung vom 04.09.2017: Am 29.08.2017 meldete die Kanzlei Noerr LLP, das Landgericht München 1 habe Anträge von Gilead auf einstweilige Verfügungen gegen insgesamt sieben Hersteller von Truvada-Generika abgelehnt. Die Entscheidung fiel laut telefonischer Auskunft der Kanzlei am 17. August, Berufungen sind möglich und höchstwahrscheinlich.

Das Bundespatentgericht sei „im Rahmen der parallel anhängigen Nichtigkeitsverfahren (Az. 4 Ni 12/17) der Argumentation der Generika-Hersteller gefolgt“ und habe „in einem qualifizierten Hinweis nach § 83 Abs. 1 PatG die vorläufige Auffassung vertreten, dass das betreffende SPC nicht rechtsbeständig sei. Das Landgericht München I sei in dem jetzt entschiedenen einstweiligen Verfügungsverfahren zu dem Ergebnis gekommen, dass „die Auffassung des Bundespatentgerichts wahrscheinlich zutreffend sei“.