ICD-11: WHO wertet Trans* nicht mehr als „mental oder verhaltensgestört“

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat am 18.6. ihren grundlegend überarbeiteten Krankheitenkatalog ICD-11 vorgestellt. Eine wichtige Neuerung: Trans* Personen werden nicht länger als Menschen mit „Störungen der Geschlechtsidentität“ im Abschnitt „Mentale und Verhaltensstörungen“ eingeordnet.

Stattdessen findet sich im neuen Abschnitt „Conditions related to sexual health“ (auf Deutsch etwa: mit der sexuellen Gesundheit zusammenhängende Umstände) die Kategorie „Gender incongruence“.

Definiert wird diese „Geschlechts-Inkongruenz” als ausgeprägte und beständige Nichtübereinstimmung zwischen dem erlebten und dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht.

Die ICD-10 hat zur Pathologisierung und Diskriminierung von trans* Menschen beigetragen

In der seit 1990 gültigen ICD-10 ist noch von „Transsexualismus“ die Rede, definiert als „Wunsch, als Angehörige_r des anderen Geschlechtes zu leben und anerkannt zu werden“.

Für Julia Ehrt, Geschäftsführerin der Organisation Transgender Europe, ist diese Änderung eine „historische Errungenschaft, für die die weltweite Trans-Community seit vielen Jahren gekämpft hat“. Die bisherige Diagnose als psychisch und verhaltensgestört habe maßgeblich zu Stigmatisierung und gesellschaftlicher Marginalisierung von trans* Menschen beigetragen.

Kritik an neuer Diagnose für trans* Kinder

Auch das Transgender Network Switzerland hat in einer Stellungnahme die „Ent-Psychopathologisierung“ begrüßt, die „einen wichtigen Schritt zur psychischen Gesundheit von trans* Menschen beitragen“ werde.

Zugleich kritisiert das Netzwerk, dass die ICD-11 eine neue Diagnose für trans* Kinder vor der Pubertät einführt. Diese Pathologisierung werde durch die weltweite trans* Community abgelehnt, da vor der Pubertät keine medizinischen Maßnahmen ergriffen werden könnten und müssten. Trans* Kinder sollten daher weder mit einem diagnostischen Prozess belastet noch mit einer Diagnose belegt werden. In der nächsten Revision der ICD solle dieser Fehler deshalb rückgängig gemacht werden.

Die ICD-11 soll 2022 in Kraft treten

Die „Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme“ (englische Abkürzung: ICD) ist die Grundlage, um international vergleichbare Daten für die Beobachtung und Beschreibung gesundheitlicher Trends zu erhalten. Die Version 11 verfügt über rund 55.000 Schlüssel für Verletzungen, Krankheiten, Störungen und Todesursachen.

Die ICD-11 muss noch von der Weltgesundheitsversammlung im kommenden Frühjahr abgesegnet werden. Das gilt allerdings als Formsache. In Kraft treten soll das neue Verzeichnis dann am 1. Januar 2022.

(ascho/hs)

Die ICD-11 ist auf der Webseite der WHO abrufbar (derzeit allerdings nur in englischer Fassung): http://www.who.int/health-topics/international-classification-of-diseases

Link zur Stellungnahme von Transgender Europe vom 18.06.2018: https://tgeu.org/world-health-organisation-moves-to-end-classifying-trans-identities-as-mental-illness/

Link zur Stellungnahme vom Transgender Network Switzerland vom 18.06.2018: https://www.tgns.ch/de/2018/06/who-trans-menschen-nicht-laenger-psychisch-und-verhaltensgestoert/#more-11799