Menschen mit HIV brauchen einen gesetzlichen Schutz vor Diskriminierung!

In einem Rechtsstreit um eine Kündigung wegen HIV in der Probezeit hat das Landesarbeitsgericht Berlin die Berufung des entlassenen Chemielaboranten Sebastian F. abgewiesen, aber Revision zugelassen.

Silke Klumb, Geschäftsführerin der Deutschen AIDS-Hilfe (DAH), bedauert das Urteil, begrüßt aber die Möglichkeit, das Bundesarbeitsgericht anzurufen: „Das Landesarbeitsgericht hat eine Chance vertan, Rechtssicherheit für Menschen mit HIV und anderen chronischen Krankheiten zu schaffen. Wir werden uns weiterhin dafür einsetzen, diese Menschen unter den Schutz des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes zu stellen.“

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbietet Kündigungen aufgrund bestimmter Diskriminierungsmerkmale auch während der Probezeit. Zu diesen Merkmalen zählt eine Behinderung, eine chronische Erkrankung wie HIV bislang aber nicht. Die Frage, ob „die bloße HIV-Infektion eine Behinderung im Sinne des AGG darstelle“, lässt das Landesarbeitsgericht Berlin in seiner Pressemitteilung zur Begründung seines Urteils offen. Das Gericht ist aber offenbar der Meinung, dass es sich hier um eine Angelegenheit von grundsätzlicher Bedeutung handelt, und hat die Revision beim Bundesarbeitsgericht zugelassen.

Die Deutsche AIDS-Hilfe will erreichen, dass künftig auch Menschen mit chronischen Erkrankungen durch das AGG vor Diskriminierung geschützt werden. Unterstützt wird sie dabei unter anderem von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes und dem Büro zur Umsetzung von Gleichbehandlung e.V..

Silke Eggers, DAH-Referentin für soziale Sicherung und Versorgung, hält das Urteil des Landesarbeitsgerichts für sehr bedenklich: „In der Pressemitteilung zum Urteil erklärt das Gericht, eine Ungleichbehandlung des Arbeitnehmers sei wegen des Interesses des Arbeitgebers, jedwede Beeinträchtigung der Medikamentenherstellung durch erkrankte Arbeitnehmer auszuschließen, gerechtfertigt. Dabei ist HIV im normalen Arbeitsalltag überhaupt nicht übertragbar. Das gilt auch und gerade für die Bedingungen, unter denen Sebastian F. gearbeitet hat.“

Der Kläger war vom Dezember 2010 bis zum Januar 2011 bei einem Berliner Pharmaunternehmen als chemisch-technischer Assistent beschäftigt gewesen und hatte bei einer betriebsärztlichen Untersuchung wahrheitsgemäß angegeben, HIV-infiziert zu sein. Der Arbeitgeber hatte ihm daraufhin (in der Probezeit) unter Einhaltung der Kündigungsfrist gekündigt. Eine Klage gegen seine Entlassung hatte das Arbeitsgericht Berlin im Juli 2011 abgewiesen (aidshilfe.de berichtete).

 

Weitere Informationen

Pressemeldung des Landesarbeitsgerichts zum Urteil vom 13. Januar 2011 (6 Sa 2159/11)

Beitrag auf www.ondamaris.de

„Kündigung wegen HIV – Berliner Chemielaborant muss in der Berufung Recht bekommen!“ (Pressemitteilung der Deutschen AIDS-Hilfe vom 29.11.2011 mit Links zu weiteren Meldungen und Informationen)

„Chronisch Kranke brauchen mehr Schutz vor Diskriminierungen“ (Pressemitteilung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zum 1.12.2011)