Offener Brief: „Ein Sexkaufverbot verschärft gesellschaftliche Stigmatisierung“
Das Bündnis der Fachberatungsstellen für Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter (Bufas e.V.) lehnt die Forderung von 16 Bundestagsabgeordneten der Regierungsfraktionen CDU/CSU und SPD nach einem Sexkaufverbot ab. Nötig seien stattdessen Antistigmatisierungs-Kampagnen sowie niedrigschwellige und akzeptierende Angebote der Fach- und Gesundheitsberatung sowie gesundheitlichen Versorgung.
Die Parlamentarier_innen hatten sich im Mai an die Ministerpräsident_innen der Bundesländer gewandt. In ihrem Schreiben forderten sie, keine Lockerungen in der Sexarbeit zuzulassen, und plädierten für das „Nordische Modell“ (Sexkaufverbot mit Bestrafung von Freier_innen, nicht der Sexarbeiter_innen, sowie Ausstiegshilfen).
In einem offenen Brief wendet sich der Bufas gegen ein Sexkaufverbot und gegen die seiner Meinung nach verkürzte und falsche Darstellung der Auswirkungen eines solchen Verbots wie auch der Sexarbeit selbst.
Selbstbestimmte Sexarbeit und Zwangsprostitution nicht vermischen
Die Bundestagsabgeordneten hatten in ihrem Aufruf der Sexarbeit die Wirkung eines „Super-Spreaders“ zugeschrieben und die Zustände in der Prostitution als überwiegend „menschenunwürdig, zerstörerisch und frauenfeindlich“ bezeichnet. Durch Freierbestrafung sowie Ausstiegsprogramme könne die sexuelle Ausbeutung am nachhaltigsten gestört und die „Position der Prostituierten gegenüber rücksichtslosen Freiern und Zuhältern gestärkt“ werden.
Der Bufas e.V. wehrt sich mit seinem Offenen Brief gegen die fahrlässige Vermischung von Sexarbeit als selbstbestimmter Dienstleistung mit Zwangsprostitution, die aus gutem Grund in Deutschland bereits hart bestraft werde.
Sperrbezirksverordnungen und die Kontaktverbotsverordnung in Deutschland hätten weder Sexarbeit noch die Nachfrage verhindert, sondern zu schlechteren Arbeitsbedingungen, mehr Abhängigkeit und damit zu Ausbeutung geführt. „Das Sexkaufverbot verschärft gesellschaftliche Stigmatisierung, anstatt sie abzubauen“, heißt es in dem Schreiben.
Verbote und Diskriminierung führen zu Abhängigkeit und Ausbeutung
Stigmatisierung, Diskriminierung und gesellschaftliche Marginalisierung von Sexarbeiter_innen seien maßgeblich dafür verantwortlich, dass Sexarbeiter_innen ihre Rechte nicht wahrnehmen, verdeckt arbeiten und verletzlich seien. Aus diesen Gründen lehnten auch das Deutsche Institut für Menschenrechte, amnesty international und Fachorganisationen die Einführung eines Sexkaufverbotes ab.
Bereits die vorübergehenden bundesweiten Schließungen von Prostitutionsstätten und die teilweisen Verbote der Sexarbeit aufgrund der Corona-Krise hätten die Folgen eines generellen Sexkaufverbotes deutlich gemacht.
Sexarbeiter_innen seien aus purer Not heraus gezwungen, ihren Lebensunterhalt nun im Verborgenen zu sichern. Angesichts des steigenden Beratungsbedarf von Menschen in prekären Arbeits- und Lebenssituationen gerieten die zumeist unterfinanzierte Fachberatungsstellen für Sexarbeiter_innen an den Rand ihrer Möglichkeiten.
Niedrigschwellige und akzeptierende Angebote ausbauen
Das Bufas fordert daher, deutschlandweit angelegte Anti-Stigmatisierungskampagnen zu fördern und niedrigschwellige Angebote für eine akzeptierende Fach- und Gesundheitsberatung sowie gesundheitliche Versorgung flächendeckend auszubauen.
(ascho)
Offener Brief des Bufas e.V. zum Sexkaufverbot
Zum Weiterlesen:
„Corona-Krise: Sexarbeiter_innen brauchen Hilfe“ (Meldung auf aidshilfe.de vom 2. Juni 2020)
Gemeinsames Positionspapier der DAH und anderer Organisationen: „Unterstützung statt Sexkaufverbot“ (PDF-Datei)