Rumänien: Medikamenten-Krise führt zu Unterbrechungen von HIV-Therapien

Gefährliches Missmanagement: Viele HIV-Patient_innen in Rumänien sind seit Monaten in ständiger Gefahr, wegen fehlender Medikamente ihre Therapie unterbrechen zu müssen. In vielen Städten und Kliniken, darunter auch in Bukarest und dem dortigen Nationalen Institut für Infektionskrankheiten, sind die Vorräte der benötigten HIV-Medikamente zur Neige gegangen.

Für die annähernd 16.000 Menschen mit HIV im Land – darunter rund 7.000 Langzeitpositive, die in den 1980er- und 1990er Jahren in Krankenhäusern infiziert wurden – kann dieser ungeplante Abbruch der Tabletteneinnahme schwere gesundheitliche Folgen haben.

Unterbrechungen der HIV-Therapie können schwere gesundheitliche Folgen haben

Möglich ist zum Beispiel eine Resistenzbildung: Die bisher eingesetzten Medikamente und unter Umständen auch andere Medikamente, die man noch gar nicht genommen hat, sind dann nicht mehr richtig oder überhaupt nicht mehr gegen HIV wirksam. HIV kann sich dann im Körper wieder vermehren und das Immunsystem schädigen. Die Möglichkeiten, auf andere, noch wirksame Medikamente umzustellen, werden dadurch eingeschränkt. Die Bildung von Resistenzen sollte man daher möglichst vermeiden.

Eine weitere mögliche Folge ist eine mit HIV-Medikamenten leicht vermeidbare Weitergabe von schwangeren Frauen mit HIV auf ihr Baby.

Rumänien hat seit über zehn Jahren keine nationale HIV-Strategie

Die rumänische Nichtregierungsorganisation ACCEPT fordert deshalb die Regierungschefin Viorica Dăncilă in einem Offenen Brief auf, umgehend die notwendigen Maßnahmen einzuleiten, damit landesweit die benötigten HIV-Medikamente eingekauft und den Patient_innen zur Verfügung gestellt werden können.

Den Brief haben auch zahlreiche internationale LGBT- und HIV-Organisationen unterzeichnet, darunter ILGA Europe, AIDES in Frankreich, die European AIDS Treatment Group, AIDS Action EuropeCOCQ-SIDA Quebec und die Deutsche AIDS-Hilfe.

„Rumänien fehlt bereits seit einem Jahrzehnt eine nationale HIV-Strategie sowie eine nationale Strategie für Sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte“, heißt es in dem Schreiben an die Ministerpräsidentin. Innerhalb der Europäischen Union sei Rumänien dafür bekannt, es nicht geschafft zu haben, auf die Bedürfnisse benachteiligter Gruppen einzugehen.

Missmanagement und verschleppte Entscheidungen

Hintergrund der Notsituation seien unter anderem verschleppte Entscheidungen auf ministerieller Ebene, erklärte Alina Dumitriu von den rumänischen HIV-Organisationen „Sens Pozitiv” und ARAS im Gespräch mit der DAH.

Seit eineinhalb Jahren fehle ein Verfahren für den zentralen Einkauf von Medikamenten. Zugleich haben Krankenhäuser eigene Bestellungen aufgeschoben, weil die Budgets für Medikamente nicht ausreichten.

Bereits in den Vorjahren hätten zum Jahresende viele Arzneimittel nicht mehr nachbestellt werden können. „Die Klinken geben auf Nachfrage dazu allerdings keine Auskunft“, sagt Alina Dumitriu. „Sie halten es aber auch nicht für nötig, Patienten, für die sie keine Medikamente mehr zur Verfügung haben, an andere Krankenhäuser zu vermitteln oder diese direkt um Unterstützung zu bitten.“

Betroffen von den Engpässen seien nicht nur HIV-, sondern beispielsweise auch Krebs-Patient_innen.

Unterstützung aus dem Ausland erbeten

Nicht-Regierungsorganisationen wie ARAS haben eine Reihe von Menschen mit HIV mit Medikamenten aus eigenen Beständen versorgen können. Doch nun sind auch diese Vorräte aufgebraucht. Alina Dumitriu erhofft sich daher nun Medikamentenspenden aus dem Ausland und bittet um Kontaktaufnahme unter Alina.Dumitriu@gmail.com.

Um die Medikamentenversorgung im Land langfristig sicherzustellen, fordern die Unterzeichnenden des Briefes von der rumänischen Regierung die Wiedereinsetzung einer nationalen interministeriellen HIV-Kommission. Deren primäre Aufgabe solle es sein, gemeinsam mit dem Gesundheitsministerium das dringend benötigte nationale HIV-Programm zu verabschieden.

„Bei den politischen Verantwortlichen gibt es aber bisher wenig Interesse an einem solchen Plan“, erklärt Alina Dumitriu, denn mit einem Plan gäbe es auch konkrete Verpflichtungen.

Verschiedene HIV-Organisationen haben dennoch bereits einen Entwurf erarbeitet – wissend, dass es im Gesundheitsministerium keine Expert_innen zum Thema HIV/Aids gibt.

(ascho)

Weitere Informationen:

HIV/Aids-Statistik Rumänien, Stand Sommer 2018: http://cnlas.ro/images/doc/30062018_eng.pdf (PDF-Datei in englischer Sprache)