Schweiz: HIV-Übertragung soll nicht mehr nach Epidemiengesetz bestraft werden

HIV-Infizierte sollen nicht mehr wegen „vorsätzlicher oder fahrlässiger Verbreitung einer gefährlichen übertragbaren menschlichen Krankheit“ angeklagt werden können.

Dies sieht der Entwurf für die neue Fassung des Paragrafen 231 des Schweizer Strafgesetzbuchs vor, den der Schweizer Nationalrat, die größere Kammer des Parlaments, am 8. März im Zusammenhang mit der Revision des Epidemiengesetzes beschlossen hat. Der vorgeschlagene Gesetzestext lautet: „Wer vorsätzlich aus gemeiner Gesinnung eine gefährliche übertragbare menschliche Krankheit verbreitet, wird mit Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren bestraft.“ Dies soll sich nur noch auf Bioterrorismus, also die willentliche Verbreitung von Seuchen beziehen.

„Das ist eine Sensation“, sagt Aids-Aktivistin Michèle Meyer aus Basel. „Ich habe immer gesagt, dass es falsch ist, diese Regelung auf Menschen mit HIV anzuwenden. In Körperverletzungsverfahren wegen potenzieller oder tatsächlicher HIV-Übertragungen hat der Paragraf 231 zudem immer das Strafmaß erhöht.“

Der Gesetzentwurf muss noch von der zweiten Parlamentskammer verabschiedet werden, dem kleineren und konservativeren Ständerat. Angesichts der breiten Mehrheit im Nationalrat von 116 zu 40 Stimmen ist Meyer aber zuversichtlich, dass dies gelingen wird.

(hs)

 

Quellen/weitere Informationen

Sitzungsprotokoll der Nationalratssitzung vom 8.3.2012

Bericht auf criminalhivtransmission.blogspot.com vom 9.3.2012

 

Kommentare

Kommentar aus der Diskussion im Nationalrat: "[Ursprünglich wurde] mit diesem Gesetzesartikel allein die Intention verfolgt ..., den Bioterrorismus und auch den angekündigten oder angedrohten Bioterrorismus bekämpfen und strafrechtlich ahnden zu können. In der Entwicklung der Rechtspraxis wurde dieser Artikel fast ausschliesslich im Zusammenhang mit der Übertragung von HIV/Aids angewandt; und sogar in der Form, dass eben seropositive Personen, die ihre Partner über ihren Serostatus informiert hatten und im gemeinsamen Willen mit ihnen Sexualverkehr hatten, nachher bis hin zur letzten Instanz verurteilt worden sind, wegen der Möglichkeit, ihren Partner mit HIV/Aids angesteckt haben zu können. [...] Die Kommission und der Bundesrat waren sich in zwei Fragen einig: Es braucht diesen Gesetzesartikel zur Bekämpfung des angedrohten Bioterrorismus, und es braucht ihn praktisch ausschliesslich dafür. Ausgenommen werden von der Strafjustiz sollten wirklich diejenigen sexuellen Kontakte, die im gegenseitigen Einvernehmen und in voller Informiertheit stattgefunden haben. Diese Paare sollten im Zusammenhang mit der Übertragung von sexuell übertragbaren Krankheiten - meist eben HIV, Aids - nicht mehr der Strafjustiz unterstellt werden."