Selbsthilfe-Initiativen und Journalist_innen ausgezeichnet

Die Selbsthilfegruppe „frau+mama“ und die russischsprachige Drogenselbsthilfe-Initiative BerLUN wurden am Freitagabend auf dem Deutsch-Österreichischen AIDS-Kongress (DÖAK) mit dem HIV-Community-Preis geehrt.

Der Preis der Deutschen AIDS-Gesellschaft (DAIG), der Deutschen Aidshilfe (DAH), der Deutschen Arbeitsgemeinschaft niedergelassener Ärzte in der Versorgung HIV-Infizierter (dagnä) und des forschenden Pharmaunternehmens Janssen Deutschland wurde in diesem Jahr zum vierten Mal verliehen. Mit ihm werden alle zwei Jahre nachahmenswerte Projekte ausgezeichnet, die die Lebensumstände von Menschen mit HIV verbessern, Diskriminierung entgegentreten oder frühe HIV-Diagnosen ermöglichen.

Eine unabhängige Jury aus Vertreter_innen der dagnä, der DAIG, der DAH sowie der Community hatte die beiden diesjährigen Preisträger_innen aus rund 30 Bewerbungen ausgewählt. Das Preisgeld in Höhe von jeweils 4.000 Euro stifteten die dagnä und das Unternehmen Janssen Deutschland. Letzteres ermöglichte auch die Konferenzteilnahme der Preisträger_innen.

HIV-Community-Preis für einen Raum für Austausch und Empowerment

Die selbstorganisierte Gruppe „frau+mama“ wurde 2015 von vier Frauen, die mit HIV leben, in Berlin gegründet. Mit regelmäßigen Treffen und gemeinsamen Aktivitäten bietet sie Frauen und Müttern mit HIV einen Raum für Austausch und Empowerment. Vorrangiges Ziel ist, Frauen mit HIV durch Wissensvermittlung und Vernetzung zu stärken.

In den Treffen, Chats und gemeinsam entwickelten Projekten werden die weniger beachteten Themen rund um HIV behandelt, die jedoch gerade für junge Frauen und Mütter oft von großer Bedeutung sind: Familienplanung und Familienleben, Schwangerschaft, Geburt, Stillen sowie Sexualität, Partnerschaft, Wohnen und Arbeit.

Darüber hinaus unterstützen sich die Teilnehmer_innen der Gruppe bei ganz praktischen Dingen, wie zum Beispiel der Job-, Hebammen- oder Kitaplatzsuche, sowie mit einer kostenlosen Kinderbetreuung während der Treffen und mit Aktivitäten, an denen auch die Angehörigen teilnehmen können.

Engagement für Drogengebraucher_innen und Menschen mit HIV

BerLUN, die Berliner Selbsthilfe-Initiative von russischsprachigen Menschen, die Drogen konsumieren oder konsumiert haben, hat sich 2017 gegründet. Die Aktivist_innen, einige von ihnen leben mit HIV, engagieren sich für eine humane Drogenpolitik und Angebote der Schadensminimierung beim Drogenkonsum.

Sie unterstützen russischsprachige Drogenkonsument_innen dabei, aus der Kriminalität herauszukommen, informieren über rechtliche und soziale Angebote, klären über medizinische Hilfe auf und beraten Einrichtungen darüber, wie sie Bedarfslücken schließen können. Zudem ist die Gruppe im DAH-Projekt PaSuMi aktiv.

Mit Straßenaktionen und im Internet setzt sich die Gruppe darüber hinaus gegen Diskriminierung und für die Menschenrechte ein. Ihr Ziel ist es, dass Menschen mit HIV und Drogengebraucher_innen ein menschenwürdiges Leben führen können.

Deutsche AIDS-Stiftung ehrt Journalist_innen und Jugendliche

Auf dem DÖAK wurde am Freitagabend außerdem der Medienpreis HIV/Aids der Deutschen AIDS-Stiftung verliehen.

Eine unabhängige Jury hatte die vier Preisträger_innen ausgewählt.

Florian Winkler-Ohm erhielt die Auszeichnung für seinen Blog flosithiv.com. „Seine Beiträge – zum Beispiel von den wichtigsten Kongressen wie den Welt-Aids-Konferenzen – sind aktuell, kritisch und engagiert. Ohne zu verharmlosen, einseitig zu sein oder zu dramatisieren“, hieß es in der Laudatio. „Er leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Ent-Stigmatisierung von HIV.“

Der Journalist Martin Reichert wurde für sein Buch „Die Kapsel. Aids in der Bundesrepublik“ ausgezeichnet. Seine journalistische Leistung, seine Recherche und die Themenbreite des Buches hätten die Jury überzeugt, so die Begründung. „Sein Buch kann helfen, die Lücke zu schließen zwischen der Lebensrealität der älteren und jüngeren HIV-Positiven und ist schon jetzt so etwas wie ein ‚Handbuch‘ zu Aids in der Bundesrepublik.“ Den Preis nahm Dr. Thomas Sparr, Editor-at-Large des Suhrkamp-Verlags, für Martin Reichert entgegen.

Der einzige Medienpreis zum Thema HIV/Aids im deutschsprachigen Raum

Weitere Auszeichnungen erhielten Birgit Wittstock für ihre in der Wiener Wochenzeitung „Falter“ erschienene zweiteilige Langzeitrecherche „Philipp, 35, positiv“ und „Philipp, A. und ich“ sowie eine Projektgruppe aus 14 Jugendlichen des Jugendzentrums GAP der Aids-Hilfe Bonn und des LesBiSchwulen- und Trans*-Referats der Universität Bonn für ihr Theaterstück „Under Control“.  

Der Preis der Deutschen AIDS-Stiftung wird alle zwei Jahre verliehen und ist seit 32 Jahren der einzige Medienpreis zum Thema HIV/Aids im deutschsprachigen Raum.

Das Preisgeld von insgesamt 18.000 Euro stellen das Pharmaunternehmen Gilead Sciences und der Verband forschender Pharma-Unternehmen.

(ascho/cl)

Weitere Informationen:

zum HIV-Community-Preis

zum Medienpreis HIV/Aids

zum Deutsch-Österreichischen AIDS-Kongress

zu „frau+mama“

zu BerLUN:

„Drogenabhängige brauchen Unterstützung, keine Strafen“

„Wir sind Teil der Lösung“

zu Martin Reicherts „Die Kapsel“:

Die Kapsel: Zur Aidsgeschichte in Deutschland

Blog von Florian Winkler-Ohm: flosithiv.com