„Sprüche werden Aids nicht beenden“

Mehr als 150 Selbsthilfe- und Nichtregierungsorganisationen aus aller Welt protestieren mit einer eigenen Erklärung gegen die am Mittwoch verabschiedete Deklaration der Vereinten Nationen, die das Ziel festschreibt, die Aids-Epidemie bis 2030 zu beenden.

Unter dem Titel „Am Anfang müssen die Menschenrechte stehen“ fordern sie weiter reichende Vereinbarungen, mehr Verbindlichkeit und eine sehr viel stärkere Einbindung der besonders von HIV betroffenen Gruppen in alle Maßnahmen gegen HIV und Aids. Initiiert hat die Deklaration die international agierende HIV/Aids-Organisation Icaso.

Die UN-Erklärung enthalte zwar fortschrittliche Aussagen, heißt es in der Erklärung, verfehle aber das Ziel: „Wir tun unsere tiefe Enttäuschung kund. Sprüche und einfache Antworten werden die Aids-Epidemie nicht beenden.“

Die Unterzeichnenden, zu denen auch die Deutsche AIDS-Hilfe gehört, fordern ein stärkeres Bekenntnis zu den Menschenrechten, der Geschlechtergerechtigkeit, insbesondere zu den Rechten von Frauen und Mädchen, sowie zu den Rechten und Bedürfnissen der „Schlüsselgruppen“, also zum Beispiel schwuler Männer und Trans*-Personen, von Drogenkonsument_innen, Sexarbeiter_innen und Inhaftierten.

Die Deklaration fordert maßgeschneiderte Präventionsangebote für diese Gruppen, unabhängig davon, wo Menschen jeweils leben – einschließlich verbindlicher Finanzierungszusagen. Außerdem gelte es, sexuelle Gesundheit zu ermöglichen, reproduktionsmedizinische Behandlung bereitzustellen und umfassende Sexualaufklärung sowie sexuelle Rechte zu gewährleisten.

Die Deklaration macht dabei klar: Menschen, die aufgrund ihrer Lebenssituation in besonderem Maße von HIV bedroht sind, müssen bei Maßnahmen gegen HIV nicht nur beteiligt werden, sondern sie haben die führende Rolle inne – dies gilt es anzuerkennen. Dementsprechend muss auch eine angemessene Finanzierung des Engagements von zivilgesellschaftlichen und Community-Organisationen verbindlich zugesagt werden.

In der UN-Erklärung seien diese Ziele nicht erfüllt: Stattdessen gebe deren Sprache Diskriminierung Auftrieb und lasse Ländern Raum für Maßnahmen, die eher von politischer Ideologie getragen seien als von wissenschaftlichen Erkenntnissen und Rechten.

Am Ende stellt die Deklaration weitere Forderungen auf: Auf dem Weg zum Ende von Aids darf niemand von notwendigen Maßnahmen ausgeschlossen werden, die Versorgung mit HIV-Medikamenten muss für alle gewährleistet sein. Prävention muss weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Die Strafbarkeit der (potenziellen) HIV-Übertragung soll aufgehoben werden. Nicht zuletzt gilt es, Kontrollmechanismen zu etablieren, die sicherstellen, dass Zusagen von Ländern auch eingehalten werden.

Ihre politische Deklaration zum Beenden der Aids-Epidemie hatten die Vereinten Nationen am Mittwoch in ihrer Vollversammlung verabschiedet – nach langem Ringen in einer abgeschwächten Version.

Immerhin wird darin erstmals von „Schlüsselgruppen“ gesprochen und damit anerkannt, dass die am stärksten von HIV betroffenen Gruppen in der HIV-Prävention eine wichtige Rolle spielen. Außerdem sollen zum Beispiel die Aufwendungen für Maßnahmen gegen HIV/Aids weltweit massiv erhöht werden. Bis 2020 sollen 30 Millionen Menschen Zugang zu HIV-Therapien haben, zugleich soll ein Viertel aller Mittel in die Prävention fließen. Maßnahmen, die beim intravenösen Drogenkonsum gesundheitliche Risiken reduzieren, werden zumindest erwähnt, aber nicht weiter ausgeführt, weil manche Länder in der Drogenpolitik allein auf Abstinenz und Repression setzen.

(Howi)

Deklaration „Human Rights Must Come First“