Studie: Diskriminierung macht vielen Menschen mit HIV das Leben schwer

Die Online-Befragung des Forschungsprojekts „positive stimmen 2.0“ liefert aktuelle Zahlen zur Diskriminierung von Menschen mit HIV. Fazit: Ein gutes Leben mit HIV ist medizinisch möglich – der gesellschaftliche Umgang hinkt hinterher.

Menschen mit HIV können heute gut mit ihrer Infektion leben, machen aber immer noch zahlreiche Diskriminierungserfahrungen. Das belegen erste Zahlen eines gemeinsamen Forschungsprojektes des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) und der Deutschen Aidshilfe (DAH). An der Online-Befragung von „positive stimmen 2.0“ nahmen von Juni bis Oktober dieses Jahres 935 HIV-positive Menschen teil.

Mehr als die Hälfte der Menschen mit HIV erlebt Diskriminierung

„Menschen mit HIV können heute leben, lieben und arbeiten wie alle anderen. Schwerer als die gesundheitlichen Folgen der HIV-Infektion wiegen für viele die sozialen Folgen. Ein Großteil der Befragten unserer Studie ist im Alltag weiterhin mit Vorurteilen und Diskriminierung konfrontiert. Die gesellschaftliche Entwicklung ist langsamer als die medizinische“, sagt Matthias Kuske, Projektkoordinator bei der DAH.

Menschen mit HIV haben heute bei rechtzeitiger Diagnose und Therapie etwa die gleiche Lebenserwartung wie Menschen ohne HIV. Unter Therapie ist das HI-Virus auch nicht mehr übertragbar. Dementsprechend geben 90 Prozent der Befragten an, dass sie gut mit Ihrer HIV-Infektion leben. 76 Prozent fühlen sich gesundheitlich nicht oder wenig eingeschränkt. Jedoch berichten 52 Prozent, durch Vorurteile gegenüber HIV in ihrem Leben beeinträchtigt zu sein.

Viele reden lieber nicht über ihre HIV-Infektion

Das Ende von Ablehnung und Diskriminierung in allen Lebensbereichen ist aber immer noch weit. Knapp drei Viertel der Befragten offenbaren ihre Infektion deswegen nicht oder nur selten gegenüber anderen Menschen (z.B. am Arbeitsplatz).

Denn gerade dort, wo die HIV-Infektion bekannt wird, zeigt sich, dass es häufig zu Diskriminierung kommt: Über die Hälfte der Teilnehmenden (56 %) gaben an, im letzten Jahr im Gesundheitswesen mindestens eine diskriminierende Erfahrung gemacht zu haben, zum Beispiel die Verweigerung einer Gesundheitsleistung, die für Dritte offensichtliche Markierung der Patientenakte oder Verstöße gegen die Schweigepflicht. 60 Prozent der Befragten gaben außerdem an, dass Menschen mit HIV in den Medien herabwürdigend dargestellt worden seien.

Stigmatisierung erfordert weiter Aufklärung

„Unsere Untersuchung zeigt klar, dass HIV in unserer Gesellschaft weiterhin mit einem Stigma verbunden ist. Wir brauchen daher weiterhin Aufklärung der Bevölkerung zu den positiven Folgen der HIV-Therapie sowie eine mediale Verbreitung vorurteilsfreier Erzählungen vom Leben mit HIV“, betont Dr. Janine Dieckmann, wissenschaftliche Projektleiterin beim IDZ.

Die Online-Befragung „positive stimmen 2.0“ ist ein Teil eines Kooperationsprojekts, welches vom Bundesministerium für Gesundheit gefördert wird. Der zweite Teil besteht aus der Neuauflage einer international durchgeführten Interview-Befragung in Deutschland, in der Menschen mit HIV andere Menschen mit HIV interviewen. Insgesamt untersucht das Forschungsprojekt, wie HIV-positive Menschen heute mit ihrer Infektion leben und welche Erfahrungen sie mit Vorurteilen und Diskriminierung machen. Alle Ergebnisse des Projekts werden im Frühsommer 2021 veröffentlicht.

Das Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft forscht und arbeitet schwerpunktmäßig zu Diskriminierung, gesellschaftliche Vielfalt und Rechtsradikalismus. Die außeruniversitäre Forschungseinrichtung in Trägerschaft der Amadeu Antonio Stiftung ist seit Juni 2020 ein Standort des deutschlandweiten „Forschungsinstituts Gesellschaftlicher Zusammenhalt“ (FGZ).

Die Deutsche Aidshilfe (DAH) ist der Dachverband von rund 120 Organisationen und Einrichtungen in Deutschland. Sie macht HIV-Prävention und vertritt die Interessen von Menschen mit HIV.

Weitere Informationen zum Forschungsprojekt:

www.idz-jena.de/forschung/positive-stimmen-20 

www.positive-stimmen.de

Pressekontakt:

Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft: Dr. Janine Dieckmann, janine.dieckmann@idz-jena.de, Tel.: 03641/2719401

Deutsche Aidshilfe: Holger Wicht, holger.wicht@dah.aidshilfe.de, Tel. 030 / 69 00 87 16