Urteil rechtskräftig: Polizei darf Bewerber_innen nicht allein wegen HIV ablehnen

Erstmals in Deutschland besagt ein rechtskräftiges Urteil, dass Menschen mit HIV unter Therapie sowohl unter dem Gesichtspunkt des Risikos für Dritte als auch bezüglich des Erreichens der Dienstaltersgrenze polizeidiensttauglich sind.

Geklagt hatte ein HIV-positiver Mann, der sich Ende 2016 als Polizeikommissar-Anwärter beworben hatte. Seine Infektion wird, wie bei den allermeisten Menschen mit HIV, erfolgreich behandelt, HIV ist bei ihm daher auch nicht mehr übertragbar; in alltäglichen Situationen besteht sowieso kein Risiko.

HIV macht nicht per se untauglich für den Dienst bei der Polizei

Die Polizeiakademie Niedersachsen dagegen hatte entgegen einem Experten-Gutachten behauptet, der Anwärter sei für den Polizeidienst untauglich.

Anders als nach der Urteilsverkündung Ende Juli 2019 angekündigt, ist die Polizeiakademie aber nicht gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Hannover in Berufung gegangen. Damit ist das Urteil rechtskräftig.

Für Jacob Hösl, der den Kläger in diesem Verfahren als Rechtsanwalt unterstützt hatte, ist das Urteil ein Meilenstein: „Wir haben damit erstmals in Deutschland eine gerichtliche Entscheidung darüber, dass Menschen mit HIV sowohl unter dem Gesichtspunkt des Risikos für Dritte als auch bezüglich des Erreichens der Dienstaltersgrenze polizeidiensttauglich sind.“

Urteil mit wegweisender Bedeutung für Menschen mit HIV

Auch wenn das Urteil eines regionalen Verwaltungsgerichts nicht gleichzusetzen sei mit dem eines Oberverwaltungsgerichts oder gar des Bundesverwaltungsgerichts, hat es für Jacob Hösl wegweisende Bedeutung: „Es wird es rechtlich für Dienstherren der Polizei in anderen Bundesländern oder des Bundes schwierig sein, diese Entscheidung zu ignorieren“, erklärt der Kölner Anwalt.

Sofern keine anderen (medizinischen) Gründe vorlägen, die die Polizeidiensttauglichkeit beeinträchtigen könnten, könnten sich Menschen mit HIV nunmehr bundesweit zum Polizeidienst bewerben. Eine Abweichung von dieser Entscheidung werde für andere Verwaltungsgerichte schwerlich zu begründen sein.

Darüber hinaus sei das Urteil auch für bereits verbeamtete Polizist_innen mit HIV von Bedeutung, die bisher wegen HIV Benachteiligungen bezüglich ihrer Laufbahn oder ihres konkreten dienstlichen Einsatzes hinnehmen mussten. „Einschränkungen wegen HIV werden von den polizeilichen Dienstherren kaum noch zu rechtfertigen sein“, erklärt Jacob Hösl. „Natürlich wird dies nicht alle Benachteiligungen im Einzelfall beseitigen, aber das Urteil hilft, sich dagegen zu wehren.“

Etappensieg auf dem Weg, Diskriminierung von Menschen mit HIV auszuschließen

Für Kerstin Mörsch von der DAH-Kontaktstelle zu HIV-bezogener Diskriminierung ist das Urteil ein überaus bedeutsamer Etappensieg. „Es bleibt zu hoffen, dass nun auch die anderen Polizeiakademien sich an dem Urteil orientieren und künftig eine Diskriminierung von Menschen mit HIV ausschließen“, sagt sie.

(ascho)

Meldung zum Urteil auf aidshilfe.de vom 18. Juli 2019

Pressemitteilung der Deutschen Aidshilfe vom 19. Juli 2019

Link zum Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom 18. Juli 2019, AZ. 13 A 2059/17

Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts Hannover zum Urteil vom 18. Juli 2019