Wahlprüfsteine 2021: Gesundheitsversorgung für trans* Personen

Werden Sie geschlechtliche Selbstbestimmung ohne Gutachten oder (Zwangs-) Beratung sowie Zugang zu transitionsbezogener medizinischer Versorgung ohne Diskriminierung sicherstellen? Setzen Sie sich für eine Entschädigung von Personen ein, die Zwangsmaßnahmen durch das TSG ausgesetzt waren?

  • Bündnis 90/Die Grünen:

Ja. Mit einem Selbstbestimmungsgesetz sorgen wir dafür, dass das überholte Transsexuellengesetz endlich aufgehoben wird. Eine unbürokratische Änderung der Geschlechtsangabe wie der Vornamen auf Antrag der betroffenen Person beim Standesamt werden wir ab dem14. Lebensjahr ermöglichen, das Offenbarungsverbot konkretisieren und Verstoße dagegen sanktionieren. Bei Gesundheitsleistungen sowie Operationen und Hormontherapien muss das Selbstbestimmungsrecht gesichert sein. Den Anspruch auf medizinische körperangleichende Maßnahmen wollen wir GRÜNE gesetzlich verankern und dafür sorgen, dass die Kostenübernahme gewährleistet wird. Das Leid, das sowohl trans- als auch intergeschlechtlichen Menschen widerfahren ist, muss entschädigt werden.

  • CDU/CSU:

Auf der Ebene des medizinischen Versorgungssystems wollen wir strukturelle, organisatorische und regionale Zugangsbarrieren für Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen abbauen. CDU und CSU werden eine flächendeckende Versorgung von transgeschlechtlichen Personen im Gesundheitssystem gewährleisten. Einen Entschädigungsfonds oder eine andere ausgleichende Maßnahme für transgeschlechtliche Menschen, die sich bis zum 11. Januar 2011 einer Operation nach der bis zu diesem Zeitpunkt gültigen Fassung von § 8 Transsexuellengesetz (TSG) unterzogen haben, planen wir nicht.

  • FDP:

Für uns als Freie Demokraten umfasst das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit auch das Recht auf einen selbstbestimmten Umgang mit der eigenen geschlechtlichen Identität. Der Blick auf die reaktionären Entwicklungen in Ungarn oder Polen zeigt, wie wichtig die rechtliche Absicherung des bisher Erreichten ist. Daher setzen wir uns mit aller Entschiedenheit für eine Ergänzung von Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetzes um das Merkmal "sexuelle Identität" ein. Bezüglich der Anti-Diskriminierungsstelle des Bundes haben wir bereits in der Vergangenheit mit Nachdruck darauf verwiesen, dass der dortige Personalmangel der Nachfrage nicht gerecht wird und so unter anderem die telefonische Beratung komplett eingestellt wurde. Wir sprechen uns für eine Stärkung der Anti-Diskriminierungsstelle des Bundes und für weitergehende Beratungsmöglichkeiten aus.

  • Die Linke:

Dreimal ja: Wir wollen einen selbstbestimmten Geschlechtseintrag für alle. Eine Vornamens- und Personenstandsänderung muss mit einer einfachen Erklärung beim Standesamt möglich werden – ohne die bisherigen Zwangsberatungen, Gutachten, ärztlichen Atteste und Gerichtsverfahren. Die Trans*-Gesundheitsversorgung soll eine Regelleistung der gesetzlichen Krankenkasse werden, so dass die komplizierten und zeitraubenden Antragsverfahren jeder einzelnen Person bei der Krankenkasse entfallen. Die erforderlichen Behandlungen sollen für alle erreichbar sein, auch für Menschen ohne Krankenversicherung oder Aufenthaltsstatus. Wir fordern die Aufarbeitung und Entschädigung der fremdbestimmten Operationen an trans* Personen und der Zwangsscheidungen durch das TSG sowie die Erstattung der Kosten für Gutachten und Gerichtsverfahren. Auch die medizinischen Eingriffe an inter* Personen, die erst seit diesem Jahr (lückenhaft) vor Normierung geschützt werden, müssen aufgearbeitet und entschädigt werden.

  • SPD:

Mit dem Gesetz zur Änderung der in das Geburtsregister einzutragenden Angaben und der Verbesserung der Situation intergeschlechtlicher Menschen konnte die SPD-Bundestagsfraktion Ende 2018 erste Verbesserungen für intergeschlechtliche Menschen erreichen. Im März 2021 haben wir das Gesetz zum Schutz von Kindern mit Varianten der Geschlechtsentwicklung verabschiedet und mit dem dort geregelten „OP-Verbot“ das Recht der Kinder auf körperliche Unversehrtheit gestärkt. An diese beiden wichtigen Gesetze hätten wir gern mit einer Reform des Transsexuellengesetzes (TSG) angeknüpft - leider war das mit unserem Koalitionspartner nicht zu machen, aber wir werden diese Reform für die nächste Legislaturperiode wieder auf die Agenda setzen. Wir wollen, dass trans-, inter- und nicht binäre Menschen im Recht gleichbehandelt werden.

Für uns steht fest, dass Grundlage einer Reform das Prinzip der Anerkennung der Geschlechtsidentität und der Schutz der Selbstbestimmung bei der Geschlechterzuordnung sein muss. Wir wollen die Lage von trans- und intergeschlechtlichen Menschen verbessern, das betrifft medizinische, gesundheitliche, soziale und rechtliche Aspekte. Verfahren müssen so gestaltet werden, dass die Würde und die Bedürfnisse der Betroffenen im Mittelpunkt stehen. Was die rein personenstandsrechtlichen Regelungen angeht, heißt Selbstbestimmung für uns: Ergebnisoffene Beratung und ein einfaches Verfahren vor dem Standesamt. Kein Gericht sollte künftig mehr über die Anpassung des Personenstandes entscheiden. Psychologische Gutachten zur Feststellung der Geschlechtsidentität werden wir abschaffen.