Mehr PrEP in Frankreich: Alle Ärzt*innen dürfen die HIV-Prophylaxe verschreiben

Frankreich will die Nutzung der medizinischen HIV-Prophylaxe PrEP ausweiten: Seit Juni 2021 dürfen dort alle Ärzt*innen und insbesondere Allgemeinmediziner*innen PrEP-Rezepte ausstellen.

Bislang war die Erstverschreibung HIV-Mediziner*innen in Kliniken und speziellen Zentren vorbehalten, andere Ärzt*innen durften lediglich Anschlussrezepte ausstellen. Die Folge: Versorgungslücken und lange Wartezeiten für PrEP-Interessent*innen, verschärft durch die Maßnahmen gegen die Coronapandemie.

Die Zahl der PrEP-Verschreibungen sank laut der französischen HIV-Organisation AIDES zwischen März und September 2020 um über 27.000. Die NGO vermutet, dies sei vor allem eine Folge der Überlastung der Krankenhäuser und der Angst vieler potenzieller PrEP-Nutzer*innen, inmitten der Coronapandemie ein HIV-Zentrum aufzusuchen.

Angekündigt hatte das französische Gesundheitsministerium eine solche niedrigschwellige Lösung bereits für das Frühjahr 2020, im Dezember 2020 sagte Minister Olivier Véran dann, es sei nur noch eine Frage weniger Wochen, und im Januar 2021 wurde tatsächlich endlich die entsprechende Verordnung vorgestellt.

Das Dumme: Eine fehlerhafte Formulierung passte nicht mit dem EU-Recht zusammen, die Verordnung konnte nicht umgesetzt werden.

Das Potenzial der HIV-PrEP wird in Frankreich nicht ausgeschöpft, vermeidbare HIV-Infektionen sind die Folge

Aurélien Beaucamp, Präsident der französischen HIV-Organisation AIDES, hatte dies als „amateurhaft“ bezeichnet. Es sei inakzeptabel, den Einsatz der PrEP wegen eines simplen Formulierungsfehlers einzuschränken und damit vermeidbare HIV-Infektionen in Kauf zu nehmen.

Erst am 28. Mai gab der französische Gesundheitsminister schließlich per Twitter bekannt, dass ab die HIV-PrEP ab dem 1. Juni von allen Ärzt*innen verschrieben werden könne. Wer die Prophylaxe verordnen will, wird „ermutigt“, sich online fortzubilden, sich bei PrEP-erfahrenen Kolleg*innen Rat zu holen und mit ihnen zusammenzuarbeiten sowie die vorhandenen Informationsmaterialien zu nutzen.

Vom Beginn der PrEP-Finanzierung durch die Sozialversicherung im Jahr 2016 bis Ende Juni 2020 haben insgesamt etwas mehr als 32.000 Personen eine HIV-PrEP begonnen (davon etwa 20.500 bis Ende Juni 2019 gewesen.

Das Gesundheitsministerium räumt allerdings ein, dass die Nutzung der HIV-PrEP intensiviert werden müsse: „Heute nehmen mehr als 30.000 Menschen die PrEP, aber das reicht nicht aus, um die Kette der Neuinfektionen zu durchbrechen und die Epidemie einzudämmen und schließlich zu beenden“, heißt es in einer Erklärung zum Start der breiteren PrEP-Verschreibung.

Nur drei Prozent cis und trans* Frauen unter PrEP-Anwender*innen

Mit der Ausweitung des Zugangs zur PrEP soll die Zahl der Nutzer*innen deutlich vergrößert und damit die Zahl der HIV-Neuinfektionen reduziert werden.

AIDES erhofft sich in dem Zusammenhang auch eine Zunahme des Anteils von cis und trans* Frauen unter den PrEP-Anwender*innen, dieser liege derzeit bei gerade mal drei Prozent. Frauen, die von der PrEP profitieren könnten, müssten gezielt angesprochen werden, zum Beispiel Sexarbeiter*innen, Drogengebraucher*innen und trans* Frauen.

In Deutschland steht eine niedrigschwellige Lösung für die PrEP-Verschreibung noch aus

In Deutschland kann die PrEP zulasten der gesetzlichen Krankenkassen nur von Ärzt*innen verschrieben werden, die auf HIV-spezialisiert sind oder sich durch eine 16-stündige Hospitation und eine Mindestanzahl bereits behandelter HIV- oder PrEP-Patient*innen qualifiziert haben.

Bisher haben nur wenige Ärzt*innen diese Qualifizierung erworben. Die Deutsche Aidshilfe schlägt daher eine weniger aufwendige Lösung wie zum Beispiel E-Learning vor.

(ascho/CL/hs)

Informationen zur HIV-PrEP: www.aidshilfe.de/hiv-prep