Studie: Diskriminierung schwuler Männer erhöht HIV-Risiko

Studie zum Schutzverhalten zeigt Zusammenhang zwischen Homophobie und Gesundheit. Jüngere Schwule besonders betroffen. Antidiskriminierungsarbeit in Schulen unverzichtbar. Klare Absage an AfD und Co.

Diskriminierung schadet der Gesundheit schwuler und bisexueller Männer und erhöht ihr Risiko, sich mit HIV zu infizieren und an Aids zu erkranken. Dies geht aus der Studie „Schwule Männer und HIV/Aids“ (SMHA) hervor, für die der Sozialwissenschaftler Jochen Drewes und der Psychologe Martin Kruspe knapp 17.000 Männer befragt haben. Die Deutsche AIDS-Hilfe hat die Ergebnisse dieses von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung geförderten Forschungsprojektes heute anlässlich des Internationalen Tages gegen Homo- und Transphobie (IDAHOT) veröffentlicht.

Dazu erklärt Ulf Hentschke-Kristal vom Vorstand der Deutschen AIDS-Hilfe:

„Die Untersuchung zeigt erstmals in Deutschland deutlich den Zusammenhang zwischen Diskriminierung, psychischen Erkrankungen und HIV-Risiken. Wenn wir über Homophobie sprechen, geht es um Chancengleichheit bei der Gesundheit. Politik und Gesellschaft stehen in der Pflicht, alles für Akzeptanz und Respekt gegenüber sexuellen Minderheiten zu tun, was in ihrer Macht steht.“

Verinnerlichte Abwertung macht krank

Homosexuelle Jugendliche und Männer müssen nach wie vor mit Diskriminierung rechnen. 15% der Studienteilnehmer hatten in den 12 Monaten vor der Befragung verbale oder körperliche Gewalt erfahren. Bei den 16-19-Jährigen waren es sogar 37 Prozent (SMHA, S.105).

Die Abwertung, die mit Diskriminierungserfahrungen verbunden ist, wirkt sich negativ auf das Selbstwertgefühl aus. Drei Viertel der Befragten haben negative Einstellungen gegenüber Homosexualität verinnerlicht, mehr als ein Viertel in hohem Ausmaß. Je stärker dies der Fall ist, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass sie unter psychischen Problemen wie Depressionen und Angsterkrankungen leiden (S.93).

Psychische Probleme sabotieren Schutz- und Testverhalten

Befragungsteilnehmer mit einer ängstlich-depressiven Symptomatik berichten deutlich häufiger von ungeschütztem Analverkehr als andere (rund 50% gegenüber 40 %, S.142) und informierten sich auch sehr viel seltener über das Thema (S.330). Die psychische Belastung durch Diskriminierung führt außerdem bei nicht wenigen Männern zu Drogenkonsum, der das Schutzverhalten ebenfalls schwächen kann.

Zugleich beeinflusst Diskriminierung das Testverhalten: Von den Befragten, die in hohem Maße negative Einstellungen gegenüber ihrer Sexualität verinnerlicht hatten, hatten sich 69% noch nie oder nur vor längerer Zeit testen lassen (im Vergleich zu 54% bei denen mit wenig negativen Einstellungen). Das führt zu unerkannten und damit unbehandelten HIV-Infektionen mit dem Risiko schwerer Erkrankungen bis hin zu Aids. Das Risiko einer ungewollten Weitergabe des Virus wird dadurch ebenfalls erhöht.

„Diese Studie unterstreicht, dass man Gesundheit nur ganzheitlich verstehen kann. Die Zahlen belegen eine alte Weisheit der Prävention: Ausgrenzung macht krank. Prävention hingegen muss Menschen stark und selbstbewusst machen!“, sagt Hentschke-Kristal.

Junge Schwule besonders betroffen

Sowohl Gewalt- und Diskriminierungserfahrungen als auch psychische Probleme betreffen junge Männer in besonderem Maße. Dies trägt möglicherweise dazu bei, dass sie häufiger Risiken eingehen.

DAH-Vorstand Ulf Hentschke-Kristal:

„Mit großer Sorge beobachten wir, wie verschiedene Gruppierungen zurzeit Front gegen Antidiskriminierungsarbeit in Schulen machen. Auch wenn Sie sich selbst ,Demo für alle‘, ,Besorgte Eltern‘ oder ,Alternative für Deutschland‘ nennen: Sie fügen  jungen Menschen schweren Schaden zu. Wir brauchen deswegen nicht weniger, sondern mehr Aufklärung und Unterstützung sexueller Minderheiten schon in der Schule und Gleichberechtigung in allen Lebensbereichen. Nur eine Kultur der Vielfalt ist gut für die Gesundheit!“

Schutzverhalten weitgehend stabil

Die Untersuchung zeigt insgesamt, dass das Schutzverhalten schwuler und bisexueller Männer weitgehend stabil ist. Vor allem in Beziehungen gehen aber teilweise mehr Männer Risiken ein, oft ohne sich dessen bewusst zu sein. Die Deutsche AIDS-Hilfe reagiert darauf unter anderem in ihrer Kampagne ICH WEISS WAS ICH TU.

Die Studie "Schwule Männer und HIV/Aids"

Bericht über die Studienergebnisse auf aidshilfe.de