Neues vom Vorstand

Eine schwere Entscheidung: Keine Positiven Begegnungen in diesem Jahr

Trotz aller Lockerungen: Die Entwicklungen rund um Corona bleiben dynamisch und zwingen uns nun zu einer sehr schmerzlichen Entscheidung. Vor einigen Wochen zeichnete sich ab, dass die Positiven Begegnungen nicht als das große Event mit mehreren Hundert Teilnehmenden in Bremen würden stattfinden können. Die Vorbereitungsgruppe und das Team im Haus haben daraufhin sehr kreative Ideen für eine PoBe an mehreren Standorten mit echten Begegnungen entwickelt, die unter einem virtuellen Dach miteinander verbunden sind. Nach dem gelungenen Online-Soli-Event „#WirFürQueer“ zum Idahobit waren wir zuversichtlich, dass dies eine wirklich gute und innovative Alternative sein könnte.

Leider haben sich nun auch diese Pläne zerschlagen, weil wir trotz aller Bemühungen keine geeigneten Tagungshäuser für eine solche Veranstaltung mit mehreren Satelliten finden konnten. Schweren Herzens haben wir deshalb beschlossen, die Positiven Begegnungen in diesem Jahr komplett abzusagen. Wir bedauern es sehr, dass Europas größte Selbsthilfekonferenz zum Thema HIV mit all ihren Potenzialen für die positive Community nun erst wieder 2022 stattfinden kann – dann hoffentlich wieder ohne jede Einschränkung.

Allen, die mit so viel Mut, Energie und Kreativität alles für eine PoBe in diesem Jahr gegeben haben, gilt unser tiefster Dank – allen voran natürlich der Vorbereitungsgruppe und den Kolleg_innen von rat + tat Bremen. Ihr Einsatz soll nicht umsonst gewesen sein; die geplanten Inhalte werden in den nächsten zwei Jahren in anderer Form in unsere Arbeit einfließen.

Situation der Mitgliedsorganisationen im Corona-Zeitalter

Nach einigen Wochen im Ausnahmezustand und den ersten regional unterschiedlichen Lockerungen im Shutdown haben wir unsere Mitgliedsorganisationen zu ihrer Situation und den größten aktuellen Herausforderungen befragt. Dank der großen Beteiligung, für die wir uns herzlich bedanken, können wir uns ein gutes Bild machen: Zum Ende des Befragungszeitraums am 20. Mai waren 29 Prozent wie bisher und 47 Prozent eingeschränkt geöffnet: 15 Prozent waren ausschließlich telefonisch und/oder per Mail erreichbar, und knapp zehn Prozent bereiteten sich auf die Wiedereröffnung vor. Die größten Probleme sahen die Kolleg_innen im Stau der nicht umgesetzten Projekte, der Situation der (Selbsthilfe-)Gruppen, die sich nicht mehr in ihren Räumen treffen konnten, der Tatsache, nicht oder nur eingeschränkt für Ratsuchende da sein zu können, sowie der Unsicherheit bezüglich der weiteren Finanzierung, wobei sie vor allem einen Rückgang der Spenden und freien Einnahmen befürchten. Nur für wenige Aidshilfen gehörten technische Probleme oder Auflagen durch das Gesundheitsamt und/oder die Kommune zu den größten Schwierigkeiten. Zu den weiteren Problemen zählten die Kolleg_innen u.a.  fehlende Masken und Desinfektionsmittel, den kompletten Ausfall der Schoolwork, die HIV-Medikamentenversorgung für in Deutschland festsitzende Bürger_innen aus dem Ausland ohne deutsche Krankenversicherung oder die fehlende Möglichkeit, Rat- und Hilfesuchende an spezifische Angebote anderer Einrichtungen zu verweisen, weil diese schlicht geschlossen waren.

Menschen ohne soziales Netz, für die Aidshilfen durch die Kontaktbeschränkungen nun keine Anlaufstelle, Rückzugs- und Schutzort mehr sein konnten, wurden am häufigsten als stark betroffene Gruppe genannt. An zweiter Stelle stehen Migrant_innen und Geflüchtete, gefolgt von Sexarbeiter_innen und Drogengebraucher_innen. Als weitere Gruppen werden u.a. Menschen mit psychischen Erkrankungen, Betroffene häuslicher Bedrohungslagen und Kunden von Sexarbeiter_innen genannt.

Von der Bundesgeschäftsstelle wünschen sich die Kolleg_innen vor allem den fachlichen Austausch zur Absicherung der Arbeit in den nächsten Jahren und zu drängenden Fragen in Prävention, Beratung und Begleitung – und natürlich Lobbyarbeit: für den Erhalt von Aidshilfe und die besonderen Bedürfnisse unserer Zielgruppen, allen voran für sozial Schwache, Sexarbeiter_innen, Drogengebraucher_innen, Geflüchtete, Menschen ohne Versicherungsschutz und ältere Menschen mit HIV. In diesem Zusammenhang steht auch der übergeordnete Wunsch nach einem fachlich basierten Umbau des Gesundheitswesens weg vom Kommerz und hin zu mehr staatlicher Verantwortung. Nicht zuletzt besteht offensichtlich auf vielen Seiten große Unsicherheit in der Frage, wie Sex im Zeichen einer neuen Infektionsgefahr mit Kontaktbeschränkungen und Abstandsgebot aussehen kann.

Viele Aspekte werden wir in unseren Beratungsmaterialien, Pressemitteilungen und redaktionellen Arbeit aufgreifen und sie zur Grundlage unserer Gespräche mit Politiker_innen und Bündnispartner_innen machen. Um den fachlichen Austausch mit den Kolleg_innen zwischen Aachen und Zwickau zu gewährleisten, finden nun wieder erste Arbeitsgruppentreffen, Workshops und Seminare statt – teils als Präsenzveranstaltung, teils mit Video-Zuschaltung und teils als reines Online-Seminar.

Corona und Covid 19 werden uns noch lange begleiten. Wir brauchen deshalb auch neue Formate, um den Bedürfnissen unserer Zielgruppen gerecht zu werden. Aus der Krise haben wir gelernt, dass digitale Möglichkeiten keine physischen Kontakte ersetzen, wohl aber Verbundenheit vermitteln und kreatives Denken fördern können. Daran müssen wir weiterarbeiten, um unseren Verband zukunftssicher zu machen.

Weiterführende Links:

Aktuelle Infos zu Corona

 

Corona und Beratung

 Beratung aktuell zu Corona

Rechtliche Fragen rund um Corona

Statement von AIDS Action Europe zu öffentlicher Gesundheit und Menschenrechten in Pandemiezeiten

Pressemitteilung zu Corona im Gefängnis

Pressemitteilung zur Gleichbehandlung und Unterstützung von Menschen in der Prostitution

Pressemitteilung zur gefährdeten Substitutionsversorgung