Spontane Freudentänze im Global Village

Liebe Leser_innen,

was wie eine einfache mathematische Gleichung aussieht, kann große Gefühle auslösen: Auf der Internationalen Aids-Konferenz in Amsterdam trug die kanadische Gesundheitsministerin Ginette Petitpas Taylor ein T-Shirt mit der Aufschrift „U=U“, der englischen Kurzformel für den Schutz durch Therapie („Undetectable=Untransmittable“). Die Partner 2-Studie hatte einmal mehr gezeigt, dass Schutz durch Therapie funktioniert: Bei knapp 1.000 schwulen Paaren in 14 europäischen Ländern hat es keinen einzigen Fall einer HIV-Übertragung unter einer gut wirksamen Therapie gegeben, die die Viruslast unter die Nachweisgrenze senkt. In Kanada müssen Menschen mit HIV keine Kriminalisierung mehr befürchten, wenn sie Sex ohne Kondom haben. Die Präsentation der Partner 2-Studie hat spontane Freudentänze ausgelöst. Unter dem Motto „Zero Risk – Zero Exkuses“ sind alle aufgefordert, diesen wissenschaftlich bestens belegten Fakt endlich überall in die Welt zu tragen!

Zero Risk - Zero Exkuses

Ähnliche Argumentationskraft haben die Zwischenergebnisse der Pariser Prevenir-Studie zur PrEP: Bei den mehr als 1.600 untersuchten Personen zeigt sich nach sieben Monaten ein Schutzeffekt von 97 Prozent, und auch hier gab es keine HIV-Übertragung. Die PrEP wirkt also – egal, ob die Medikamente täglich oder nur bei Bedarf eingenommen werden.

Schlechte Nachrichten gibt es dagegen in Sachen riskantem Drogengebrauch: Die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen vermeldet einen traurigen Höchststand von 9.138 Todesfällen durch Überdosierungen, 15 Prozent davon in Deutschland. Uns bleibt nur, gebetsmühlenartig unsere Forderung nach Drogenkonsumräumen, Naloxonvergabe und den Ausbau der Substitutionsbehandlung zu wiederholen.

An unserem Stand haben wir zusammen mit Community-Vertreter_innen unsere Projekte zum Abbau der Diskriminierung im Gesundheitswesen vorgestellt. Die „Praxis Vielfalt“, „Let’s talk about sex“ und unsere Medien für Zahnärzt_innen haben viel Publikum angezogen. Wir haben viele berührende Momente erlebt und sind mit vielen Aktivist_innen aus aller Welt ins Gespräch gekommen – unter anderem mit Timothy Ray Brown, dem ersten vollständig von HIV geheilten Menschen, mit Sexarbeiterinnen und Trans*-Personen, die in Amsterdam so stark wie selten zuvor vertreten waren.

Viele berührende Momente

Das Schwerpunktthema Osteuropa hat zwar erfreulicherweise viel mediale Aufmerksamkeit erfahren, war aber auf der Konferenz selbst nicht so präsent, wie wir es uns gewünscht hätten. Wie unsere Kolleg_innen aus dem internationalen Fachbereich berichten, war in vielen Veranstaltungen kein_e Dolmetscher_in erforderlich, weil keine anderssprachigen Teilnehmer_innen den Weg dorthin gefunden hatten. Dennoch ist es gelungen, neue Kontakte zu knüpfen und unsere Vernetzung mit Aktivist_innen auszubauen.

So eine internationale Konferenz lässt uns immer auch nachdenklich zurück – wie privilegiert wir in vielem sind, wo wir uns international noch stärker engagieren könnten, und wo wir vor den Aktivist_innen weltweit den Hut ziehen für das, was sie auf die Beine stellen.

Es freut uns sehr, dass viele Engagierte aus dem Verband sich nach Amsterdam aufgemacht haben und die DAH viel Gesicht zeigen konnte. Herzlichen Dank für Eure Beteiligung! Eindrücke von der Konferenz gibt es zum Nachschauen und –lesen in unserem Liveticker (https://www.aidshilfe.de/meldung/aids2018-newsticker-amsterdam) sowie auf Facebook (https://www.facebook.com/pg/deutscheaidshilfe/photos/?tab=album&album_id=1787628237949518) und Instragram (https://www.instagram.com/deutscheaidshilfe/).

Herzliche Grüße,

 

Silke Klumb