Suchtmedizin kann Aids verhindern

Bei Drogenkonsument_innen und Substituierten wird HIV oft zu spät diagnostiziert oder bleibt lange unbehandelt. Ein Leitfaden der Deutschen Aidshilfe unterstützt Ärzt_innen in der täglichen Praxis.

Suchtmedizinisch tätige Praxen in Deutschland erhalten in diesen Tagen Post von der Deutschen Aidshilfe. Inhalt: Die Broschüre „HIV früh erkennen und behandeln – Ein Leitfaden für die Suchtmedizin“. Sie soll Ärzt_innen dabei unterstützen, HIV zu thematisieren, einen HIV-Test anzubieten und gegebenenfalls den Therapiebeginn einzuleiten, um schwere Erkrankungen zu vermeiden.

Der Leitfaden ist Teil der Kampagne „Kein Aids für alle – bis 2020!“. Er wurde gemeinsam mit Fachleuten aus Suchtmedizin, HIV-Behandlung, Drogenhilfe und Selbsthilfe entwickelt.

„Suchtmedizin hat eine Schlüsselrolle“

Prof. Dr. Markus Backmund, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Suchtmedizin unterstützt das Projekt:

„Wir Suchtmediziner_innen können eine Schlüsselrolle spielen, wenn es darum geht, Aids-Erkrankungen zu verhindern. Für viele Patient_innen sind wir die einzige Anlaufstelle im Gesundheitsbereich. Durch die Substitutionsbehandlung stehen wir kontinuierlich in Kontakt mit ihnen – eine gute Grundlage für regelmäßige HIV-Tests und erfolgreiche Behandlungen.“

Frühe Diagnose und Behandlung sind möglich

Menschen, die intravenös Drogen konsumieren oder substituiert werden, sind nicht nur deutlich häufiger von HIV betroffen als die Gesamtbevölkerung. Bei ihnen wird HIV oft auch zu spät diagnostiziert. Auch wenn die Infektion bekannt ist, bleiben sie in vielen Fällen lange ohne Therapie – obwohl eine HIV-Infektion nach den medizinischen Leitlinien so früh wie möglich behandelt werden sollte. Schwere Erkrankungen bis hin zu Aids sind die Folge. Außerdem bleibt HIV ohne Therapie beim Sex übertragbar.

In Zahlen: 4,9% der Teilnehmer_innen in der DRUCK-Studie des Robert-Koch-Instituts (2016) waren HIV-positiv (Gesamtbevölkerung: 0,1%). Die Therapiequote bei Patient_innen mit HIV-Diagnose lag bei nur 55% (insgesamt: 92%).

Haupthindernisse für einen frühzeitigen Therapiebeginn sind zu seltene und unregelmäßige HIV-Tests, häufige Ortswechsel, sowie häufig ärztliche Bedenken, dass die regelmäßige Einnahme der Medikamente nicht gelingen könnte.

HIV- und HCV-Therapie funktioniert auch bei Drogenkonsument_innen

Studien und Erfahrungen aus der Praxis zeigen jedoch: Auch diese Gruppe ist motiviert, sich behandeln zu lassen und die Therapie funktioniert ähnlich zuverlässig wie bei anderen Patient_innen.

„HIV-Therapien sind inzwischen simpel und wirken selbst dann gut, wenn die Adhärenz nicht perfekt ist“, betont Dr. Hubert Schulbin, substituierender HIV-Spezialist in Berlin.

Ähnliches gilt mittlerweile für Hepatitis C. Auch bei der HCV-Infektion unterbleibt häufig eine Therapie, weil Ärzt_innen oder Patient_innen Bedenken haben – trotz hervorragender Heilungschancen.

Der Schlüssel: ein offenes Gespräch

Ob HIV oder HCV: Grundlage für eine erfolgreiche Therapie sind Gespräche. So lassen sich regelmäßige Tests empfehlen, Risiken ausloten und Ängste vor der Diagnose oder Nebenwirkungen ausräumen.

Dazu sagt Armin Schafberger, Arzt und Medizinreferent der Deutschen Aidshilfe:

„Solche Gespräche sind manchmal nicht einfach, weil sie sensible Themen wie Drogenkonsum und Sexualität berühren. Diese Broschüre soll es in jeder Hinsicht erleichtern, im entscheidenden Moment die Weichen Richtung Therapieerfolg zu stellen.“

Tipps von Anamnese über Testverfahren bis Weiterbehandlung

Die kompakte Broschüre liefert:

  • Informationen über Test- und Abrechnungsmöglichkeiten
  • Gesprächsleitfäden
  • Einen Entscheidungsbaum zu Test und Behandlung von HIV und Hepatitis C.
  • aufschlussreiche Fallbeispiele
  • Links zu weiteren Informationen und HIV-Schwerpunkteinrichtungen

Aids ist heute vermeidbar

Mit der Kampagne „Kein Aids für alle!“ arbeitet die Deutsche Aidshilfe darauf hin, dass in Deutschland im Jahr 2020 kein Mensch mehr an Aids erkranken muss.

Zurzeit leben laut Robert-Koch-Institut mehr als 11.000 Menschen unwissentlich mit HIV – also mit der Gefahr einer vermeidbaren schweren Erkrankung. Wenn die Infektion hingegen rechtzeitig diagnostiziert und behandelt wird, können Menschen mit HIV heute alt werden und leben wie alle anderen. HIV ist unter einer gut wirksamen Therapie auch nicht mehr übertragbar.

Mehr Informationen

Die Broschüre zum Download / Bestellmöglichkeit

Ähnliche Broschüren sind bereits für Hausarztpraxen und die Gynäkologie erschienen:
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Gynäkologie

Anschreiben an suchtmedizinische Praxen

Fortbildungen für Ärzt_innen

Kampagne „Kein Aids für alle – bis 2020!“