England: Nationaler Gesundheitsdienst NHS darf die HIV-PrEP finanzieren

HIV-Organisationen haben einen Etappensieg auf dem Weg zur PrEP-Einführung in England errungen: Der Oberste Gerichtshof entschied, dass der staatliche Gesundheitsdienst NHS die Kosten übernehmen darf.

„Das ist eine fantastische Nachricht, sagt Deborah Gold, Chefin des National AIDS Trust, der die Klage angestrengt hatte, „und eine Genugtuung für die vielen Menschen, die der NHS mit seiner Entscheidung, sich vor der Verantwortung für die PrEP zu drücken, im Stich gelassen hat. Das Urteil bestätigt unsere Sicht, dass der NHS die PrEP finanzieren darf. Jetzt muss der NHS England genau das tun.“

Eine PrEP schützt HIV-negative schwule Männer mit erhöhtem HIV-Risiko so sicher vor HIV wie Kondome. Der Nationale Gesundheitsdienst Englands hatte daher im September 2014 eine Gruppe eingesetzt, die eine Entscheidung über eine mögliche Finanzierungsübernahme vorbereiten sollte. Die Gruppe sprach sich für die Übernahme der PrEP in die Regelversorgung aus, da sie notwendig, wirksam und kosteneffizient sei. Sie schätzte, dass 8.000 bis 12.000 schwule Männer und 1.000 heterosexuelle Personen für die PrEP in Frage kämen und dass etwa die Hälfte eine PrEP in Anspruch nähme.

Im März 2016 erklärte der NHS jedoch überraschend, im Rahmen der geltenden Gesetze dürfe er die PrEP gar nicht finanzieren, da die lokalen Behörden für die HIV-Prävention zuständig seien.

Richter Green kommt in seinem Urteil nun zu dem Ergebnis, der NHS könne und dürfe sehr wohl Medikamente zur HIV-Prävention verfügbar machen, zumal die lokalen Behörden überhaupt kein Geld für die PrEP hätten. Außerdem würde gerade der NHS von der PrEP profitieren, weil er durch die Verhinderung von HIV-Infektionen Geld für die HIV-Behandlung spare.

In der Urteilsbegründung vergleicht Green zudem die PrEP mit der vom NHS finanzierten Post-Expositions-Prophylaxe (PEP) – hierbei nimmt man unmittelbar nach einem wahrscheinlichen Kontakt mit HIV HIV-Medikamente ein, um eine Infektion zu verhindern. In beiden Fällen, so Green, gehe es letztlich darum, Menschen durch eine vorbeugende Behandlung vor einer HIV-Infektion zu bewahren.

Der NHS kündigte Berufung gegen das Urteil an. Parallel dazu soll trotzdem der Beratungs- und Bewertungsprozess zur PrEP wiederaufgenommen werden, und zwar im Rahmen der Beratungen über die Finanzierung anderer spezieller medizinischer Maßnahmen. Für diese Maßnahmen stehen 2016/2017 insgesamt 15,6 Milliarden Pfund zur Verfügung, die möglichen jährlichen Kosten für die PrEP beziffert der NHS mit 10 bis 20 Millionen Pfund.

Um für eine Ablehnung der Berufung vorbereitet zu sein, will der NHS die Finanzierung bestimmter Medikamente und Maßnahmen mit vergleichsweise hohen Kosten und geringerem Nutzen vorerst nicht mehr garantieren. Zugleich kündigte er an, die Anbieter dieser Maßnahmen und Medikamente sowie den Hersteller des PrEP-Medikaments Truvada zu „finalen Preisangeboten“ aufzufordern, um alle Kosten vergleichen und dann auch über die Finanzierung entscheiden zu können.

Eine Garantie, dass der NHS die Kosten für die PrEP übernimmt, besteht also nicht.

(hs)

 

Quellen/weitere Informationen

Link zum vollständigen Urteil vom 2.8.2016 (PDF-Datei in englischer Sprache)

Pressemitteilung des National AIDS Trust vom 2.8.2018 (in englischer Sprache)

Pressemitteilung des National Health Service (NHS) vom 2.8.2016 (in englischer Sprache)

Pressemitteilung des NHS zur Finanzierung spezieller medizinischer Maßnahmen vom 11.7.2016 (in englischer Sprache)

Keine PrEP in England: „Ein beschämender Tag für die HIV-Prävention“ (Meldung auf aidshilfe.de vom 1.6.2016)

Großbritannien macht Kehrtwende in Sachen PrEP (Meldung auf aidshilfe.de vom 22.3.2016)